Maria Lassnig ist eine Künstlerin, die es geschafft hat, sich aus einfachsten Verhältnissen in der österreichischen Provinz mit großem Talent und viel Durchhaltevermögen ihren Weg an die Spitze des internationalen Kunstmarkts zu bahnen. Sie gilt heute als eine der wichtigsten Malerinnen des 20. Jahrhunderts und vor allem ihre provokanten "Körperbewusstseinsbilder" hängen in berühmten Museen überall auf der Welt. Dabei gelang ihr der Durchbruch erst mit fast sechzig Jahren. Das dieser Weg in einer von Männern dominierten Kunstszene alles andere als einfach war, zeigt Anja Salomonowitz in ihrem beeindruckenden Film MIT EINEM TIGER SCHLAFEN, in dem Birgit Minichmayr die Ausnahmekünstlerin Lassnig in unterschiedlichen Karriere- und Lebensphasen verkörpert. Dabei geht es aber nicht um ein klassisches Biopic über eine berühmte Persönlichkeit sondern Salomonowitz verwebt kunstvoll verschiedene Zeit- und Handlungsebenen und erschafft mit ihrer Farbgestaltung einen filmisch-artifiziellen Raum, der in seiner Sperrigkeit hervorragend zu der porträtierten Künstlerin passt.
Maria Lassnig wurde 1919 in Kappel in Österreich als uneheliches Kind geboren. Um die Familie zu versorgen, heiratete ihre Mutter einen viel älteren Mann mit dem Maria zeitlebens ein schwieriges Verhältnis hatte. Die Mutter erkannte früh das zeichnerische Talent der Tochter und förderte sie. Nach einer Ausbildung zur Volksschullehrerin begann Lassnig ein Studium an der Akademie der Bildenden Künste und startete von da aus langsam ihrer Karriere als Künstlerin. Ihr dominierendes Thema als Malerin war der Versuch der Sichtbarmachung der eigenen oftmals schmerzvollen Gefühlswelten. Ihre vor allem am Anfang ihrer künstlerischen Laufbahn häufig als schockierend wahrgenommenen großformatigen Bilder porträtieren den nackten Körper der Künstlerin jenseits gängiger Schönheitsideale in expressiven Farben und provokanten Posen.
Anja Salomonowitz zeigt in MIT EINEM TIGER SCHLAFEN die verschiedenen Stationen in Lassnigs Karriere und setzt ihre Kunst dabei immer wieder in eine enge Beziehung zur schwierigen Familiengeschichte der Künstlerin. Lassnig selbst wird als extrem eigenwillige Persönlichkeit dargestellt, die lange unter der Ignoranz und Ablehnung leidet, die ihrer Kunst entgegengebracht wird. Sie ist sich dabei stets bewusst, dass es für Frauen in der Kunstwelt einer ganz besonderen Anstrengung bedarf und sie kommentiert ihr eigenes Arbeiten bis zur Erschöpfungsgrenze im Film mit der lapidaren Aussage; "eine Frau muss halt drei mal so viel schuften wie ein Mann, nur weil es eine Frau ist". Salomonowitz mischt immer wieder auch kurze dokumentarische Elemente mit der Fiktonsebene und sie lässt einige Wegbegleiter Lassnigs zu Wort kommen. Insgesamt ergibt sich so nach und nach das facettenreiche Bild einer willensstarken Künstlerin, die trotz mangelnder Anerkennung von außen unbeirrt ihren Weg geht. Birgit Minichmayr spielt Maria Lassnig in den unterschiedlichsten Lebensphasen vom Kind über die mittleren Jahre bis in hohe Alter der Künstlerin hinein. Der Film verzichtet dabei auf jegliche maskenbildnerische Veränderung seiner Hauptdarstellerin und obwohl Minichmayr äußerlich immer gleich bleibt, gelingt es ihr durch die Variation von Mimik, Stimme und Körpersprache perfekt, jede Altersstufe in Lassnigs Leben absolut glaubhaft zu verkörpern. Auch wenn MIT EINEM TIGER SCHLAFEN kein einfach zu konsumierender Film ist, lohnt er sich schon allein wegen dieser großartigen Schaupielkunst. Außerdem bekommen die Zuschauer Einblicke in ein in jeder Hinsicht außergewöhnliches Leben.