Wer einen wirklich überraschenden Film über die junge Generation in China sehen möchte, sollte sich REPUBLIC von Jin Jiang nicht entgehen lassen. Anders als in westlichen Medien häufig dargestellt, gibt es vor allem in Chinas Großstädten junge Menschen, die keine Lust dazu haben, sich an die klassische Erwartungshaltung der Gesellschaft "Erfolg durch harte Arbeit" anzupassen und die vor allem im Privaten versuchen, aus dem allgegenwärtigen Konkurrenzkampf auszusteigen und einen alternativen Lebensstil jenseits von Geld, Status und Heirat zu etablieren. Genau so einen urbanen Aussteiger porträtiert Jin Jinag in seinem Dokumentarfilm REPUBLIC.
Eryang hat in seiner winzigen sechs-Qudratmeter-Wohnung in Peking einen phantasievoll-psychodelischen Rückzugsraum für alle diejenigen geschaffen hat, die eine Pause brauchen vom stressigen Leben in der chinesischen Leistungsgesellschaft. In seinem Refugium fühlt man sich durch jedes Detail der Einrichtung zurückgebeamt in die Love-and-Peace Atmosphäre früherer Hippiekommunen. Der langhaarige Hausherr ist in stilechte Paisley-Schlaghosen und Blümchenhemden gekleidet und es läuft den ganzen Tag Musik von Bob Dylan und David Bowie. Nur der im Hintergrund sichtbare Computer und diverse Mobiltelefone erinnern daran, dass es sich doch um ein Setting aus der Gegenwart handelt. Gemeinsam mit Freunden verbringt Eryang seine Tage vorwiegend mit süßem Müßiggang, er philosophiert auf dem Bett liegend und rauchend abwechselnd über Mao, Bob Dylan, Xi und Mutter Erde und empfängt in seiner Wohnung eine nie abreißende Kette an Freunden und neuen Bewunderern. In seiner Republic gilt strikte Gewaltfreiheit, Konflikte werden friedlich ausdiskutiert und neben freier Liebe wird mit unterschiedlichsten Drogen experimentiert.
Die gesamte Handlung des Films spielt in dem winzigen Miniapartement und abgesehen von zwei kurzen Schwenks in einen dunklen Innenhof kommt die Außenwelt nicht vor. Es ist schwer vorstellbar, wie es logistisch überhaupt möglich war, neben dem regen Besuchertreiben in Eryangs Mini-Wohnung auch noch ein Kamerateam unterzubringen. Die Konzentration der Handlung auf den winzigen Innenraum führt im Laufe der Zeit zu einer leicht klaustrophobischen Atmosphäre, die gut zu dem fragilen Status passt, dem Eryangs alternatives Lebensmodell in einem Land wie China zwangsläufig unterliegt. Über ihn und seinen Background gibt es nur wenig Informationen, möglicherweise auch zu seinem Schutz. Die Zuschauer erfahren lediglich, dass Eryang nach Schulabschluss und Studium seit zwei Jahren in seiner selbstgestalteten Republic lebt und dass seine Eltern schon mehrfach für seine Schulden aufkommen sind.
Trotz der originellen Geschichte wird es auf Dauer leicht ermüdend, dem häufig mit wackelnder Kamera gefilmten Kommunenleben von Eryang und seinen Freunden zuzuschauen, zumal sich dabei ein Drogenrausch an den anderen reiht. Dennoch ist REPUBLIC schon allein deshalb ein lohnenswerter Film, weil er das Leben von jungen Menschen im heutigen China aus einer unerwarteten Perspektive zeigt und zugleich die Frage danach eröffnet, welche Freiheitsgrade für Einzelne in einem auf Leistung getrimmten Land wie China auf Dauer möglich sind. Jin Jiangs Porträt des jungen Eryang, der als eine Art Neo-Hippie im heutigen Peking versucht, mit einer von ihm geschaffenen Love-and-Peace-Community den libertären Geist der 70er Jahre wieder aufleben zu lassen, ist auf jeden Fall eine Geschichte, die man so schnell nicht wieder vergisst.
Worum geht es
Ein junger Aussteiger lebt im heutigen Peking in einer selbstgeschaffenen Love-and-Peace-Community einen Gegenentwurf zur ihn umgebenden Leistungsgesellschaft.
Für Fans von
Nonkonformismus, Freier Liebe, Paisley Mustern, Musik und Style der 70er, Psychodelischen Drogenexperimenten
Lieblingsmoment
Wie Eryang seinen winzigen sechs-Quadratmeter-Raum mit einfachsten Mitteln in einen stilechten Hippie-Unterground-Club verwandelt, in dem dann über- und untereinander gestapelt fast zwanzig Gäste feiern.
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