Ein Film über Holocaust-Überlebende erscheint heute dringender denn je. Daher wollte Julia von Heinz TREASURE auch unbedingt auf der Berlinale zeigen und hat bis ein paar Tage vor der Premiere an dem Film gearbeitet. Das Thema erfordert aber auch viel Fingerspitzengefühl, besonders wenn die erzählte Geschichte etwas Leichtes haben soll. Von der Besetzungsliste konnte man annehmen, dass zumindest die Schauspieler:innen der Herausforderung gewachsen waren. Lena Dunham und Stephen Fry spielen die Hauptrollen, der bekannte polnische Schauspieler Zbigniew Zamachowski eine wichtige Nebenrolle.
Trotz seines Renommees war die Wahl von Stephen Fry für die Rolle des Edek allerdings sehr gewagt. Als polnischer Jude war Edek im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau interniert. Nach seiner Befreiung wanderte er in die USA aus. Wenn Edek auf das Bestreben seiner Tochter, die mehr über die Familiengeschichte erfahren will, Anfang der 90er nun das erste Mal wieder nach Polen zurückkehrt, spricht er mit seinen ehemaligen Landsleuten polnisch und mit Ruth ein amerikanisches Englisch mit starkem polnischem Akzent. Die große Herausforderung von Fry war, wie er auf der Berlinale Pressekonferenz zugab, sich die notwendigen Akzente anzueignen. Aber so professionell er mit dieser Aufgabe auch umgeht, es wirkt bemüht. Hinter der Rolle des Edek scheint immer wieder der herausragende Darsteller englischer Charaktere hervor, für den man Fry kennt und liebt.
Doch anderes wiegt noch schwerer. Julia von Heinz überfrachtet ihren Film mit zu vielen Themen. Es geht um den Umgang mit den Erfahrungen des Unbegreiflichen, die Auswirkungen auf die nachfolgende Generation, die dysfunktionale Beziehung zwischen Ruth und Edek, Ruths Ess-Störungen und die gesellschaftliche Situation in Polen nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Außerdem gelingt TREASURE nicht der Drahtseilakt zwischen Drama und Komödie. Der Versuch mit Humor Leichtigkeit herzustellen überdeckt die Situationen, in der das Ausmaß des Schreckens zur Sprache kommt.
Julia von Heinz hat mit TREASURE den Roman TOO MANY MEN von Lily Brett verfilmt. Gerade das humorvolle Element in Bretts Werk war ihr besonders wichtig. Ohne das Buch gelesen zu haben, ist es nicht möglich zu sagen, wie gut die Umsetzung gelungen ist. Für sich genommen kann der Film zumindest nicht bestehen. Trotzdem verdient die Regisseurin Anerkennung. Denn wie auch sonst im Leben würde nie etwas Herausragendes geschaffen werden, wenn wir das Risiko des Scheiterns nicht in Kauf nehmen würden.