Berlinale 2023: GERANIEN von Tanja Egen

Nina zieht sich einen Pullover an
Copyright: Claudia Schroeder

Nina lebt als Schauspielerin in Amsterdam. Als ihre Oma stirbt, fährt sie zur Beerdigung zurück in ihren Heimatort Holzwickede. In der Kleinstadt muss sie sich nicht nur dem Verlust der geliebten Großmutter stellen, sondern sie wird auch mit alten Wunden in der Beziehung zu ihrer Mutter konfrontiert. Während Nina zunächst irritiert auf die scheinbare Unfähigkeit ihrer Mutter zur Trauer reagiert, versteht sie allmählich, dass Abschied und Trauer individuell erlebt werden und es keinen Königsweg zum Umgang damit gibt. Als Nina nach ein paar Tagen wieder zurück in ihr Leben nach Amsterdam fährt, hat sich auch die Beziehung zu ihrer Mutter verändert.

Es wird viel geraucht und geschwiegen in Tanja Egens Holzwickede und die besten Gespräche sind die, die mit einem Minimum an Worten auskommen oder auf dem Niveau von Floskeln verbleiben. Man geht sich gerne aus dem Weg und die ausgedehnten Joggingrunden von Nina durch ihren Heimatort dienen nicht nur der körperlichen Ertüchtigung sondern auch der Flucht vor unerwünschten Emotionen. Und wenn doch einmal Gefühle gezeigt werden, dann erst nach einem ausufernden Kneipenbesuch mit diversen Cocktails. Dass das dann auch mal in einer Beschimpfungstirade endet, ist eigentlich kein Wunder.

Die langsame Wiederannäherung von Nina an ihre alte Heimatstadt und an diejenigen, die dort geblieben sind, ist neben der Mutter-Tochter-Beziehung das zweite große Thema von GERANIEN. Was bedeutet Heimat, wo findet man sie und wieviel von früher lebt im Inneren weiter, auch wenn man in der Großstadt längst sein eignes Leben führt? Und wie schafft man es, zu den Menschen von damals echten Kontakt herzustellen ohne dabei als arroganter Großstadtbewohner rüberzukommen? Nina erfährt während ihrer Zeit bei den Eltern, dass es auf diese Fragen keine einfachen Antworten gibt.

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GERANIEN wurde bei der gestrigen Weltpremiere im ausgebuchten International-Kino vom Publikum begeistert aufgenommen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Themen des Films für mehrere Generationen anschlussfähig sind und GERANIEN all seine Figuren mit liebevoller Sympathie zeichnet. Tanja Egens Film ist der Beweis dafür, dass es keine komplex konstruierte Story und keine Spezialeffekte braucht, um eine Geschichte zu erzählen, die wirklich berührt. Hier ist weniger eindeutig mehr und gerade auch die erfrischende Gradlinigkeit des Films macht ihn zu einem Erlebnis. Nicht unerwähnt bleiben soll die bis ins kleinste Detail stimmige Ausstattung, die zusammen mit dem gelungenen Sounddesign von der ersten Einstellung an den Eindruck erweckt, man sei selbst zu Gast in Holzwickeder Küchen und Wohnzimmern.

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Titel

Orignaltitel

Geranien

Englischer Titel

On Mothers and Daughters

Credits

Regisseur

Tanja Egen

Schauspieler

Friederike Becht

Aleksandra Corovic

Adi Hrustemovic

Bruno Kirchhof

Peer Martiny

Stefanie Meier

Oliver Möller

Jasmina Music

Marion Ottschick

Jahr

2023

Dauer

83 min.

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