Berlinale 2023: WANN WIRD ES ENDLICH WIEDER SO, WIE ES NIE WAR von Sonja Heiss

Filmstill
Komplizen Film GmbH / Warner Bros. Entertainment GmbH / Frédéric Batier

Als Kind kommen einem Erwachsene bereits unter normalen Umständen häufig seltsam vor und ihr Verhalten erscheint nicht nachvollziehbar. Wie es sich aber anfühlt, als Kind mit der eigenen Familie innerhalb der Mauern einer psychatrischen Anstalt aufzuwachsen, in der der Vater als Direktor arbeitet und die psychisch kranken Patienten ganz selbstverständlich mit zum eigenen Familienalltag gehören, davon erzählt Sonja Heiss in ihrem Film WANN WIRD ES ENDLICH WIEDER SO, WIE ES NIE WAR. Der kleine Josse versucht, sich in dieser sehr eigenen Welt aus Geschwistern, Patienten und Personal zurecht zu finden und ist zugleich damit beschäftigt, die zunehmend in Auflösung begriffene Ehe seiner Eltern mit seinen kindlichen Mitteln vor dem Auseinanderbrechen zu bewahren.

Auch ohne das dem Film zugrunde liegende Buch von Joachim Meyerhoff zu kennen, macht es Freude, Josse beim Erwachsenenwerden zuzuschauen und ihn und die Entwicklungen in seiner Familie durch mehrere Jahrzehnte deutscher Geschichte zu begleiten. Wenn Josses Vater zu Weihnachten eine kostbare Erstausgabe von Adalbert Stifter geschenkt bekommt und seine Mutter einen elektrischen Allesschneider als praktischen Küchenhelfer, dann weckt das schaurige Erinnerungen an die Frauenrolle der 80iger Jahre, in der Mutti zuhause dem schwer arbeitenden Vati den Rücken frei hielt. Die weitere Entwicklung dieses Weihnachtsfests bis hin zu seiner kompletten Entgleisung markiert einen der komischen Höhepunkte des Films. Ebenfalls großartig in Szene gesetzt ist der eigentlich nur als kurzer Fototermin geplante Besuch des Ministerpräsidenten, der trotz größter Anstrengungen aller Beteiligten vollkommen anderes verläuft, als vom Protokoll vorgesehen.

Eine Stärke des Films ist die unverkrampfte Darstellung psychischer Erkrankungen ohne jegliche Stigmatisierung. Für Josse ist der Mann, der den ganzen Tag mit zwei Glocken läutend durch den Park des Anwesens streift genauso normal wie sein Lehrer in der Schule, der vollkommen unvermittelt von traumatischen Kriegserlebnissen eingeholt wird. Wie im echten Leben liegen Komik und Tragik in diesem faszinierenden Familienkosmos dicht beieinander. Devid Striesow als sich in erster Linie für seine Arbeit interessierender Vater und Laura Tonke als passiv-aggressive Mutter mit einem romantischen Fabile für Italien können viele Facetten ihres schauspielerischen Könnens ausspielen. Auf der Berlinale lief der Film in der Kategorie Generation 14plus und er kann als Familienfilm im besten Sinne allen empfohlen werden, die sich auch vor schwierigen und düsteren Themen nicht fürchten. Sonja Heiss schafft es, trotz aller Tragik immer einen heiteren Grundton beizubehalten und ihr Film ist ein Plädoyer dafür, das Leben mit all seiner Ambivalenz auch von der komischen Seite zu sehen.

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