Berlinale 2022: EVERTHING WILL BE OK von Rithy Panh

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"Das Archiv bin ich", sagt die Frauenstimme, die die Bilder von Rithy Panhs EVERYTHING WILL BE OK über den gesamten Film hinweg kommentiert. Die Stimme ist Erzählerin, Deuterin, Anklägerin. Es ist nicht klar, aus welcher Perspektive sie spricht. Ist sie Teilnehmende am durchgängigen Narrativ des Films – dem Zerfall der Herrschaft der Menschen über die Tiere und dem Aufstieg der Tiere zu Herrschern über die Menschen – oder ist sie Beobachterin?

Panh inszeniert die Machtübernahme der Tiere in unzähligen Mini-Installationen, die denen einer Landschaft für Modelleisenbahnen oder Dioramen ähneln. Diese Installationen wechseln sich ab mit sechs Split Screens, in denen wir in dokumentarischen Bildern und Ausschnitten aus Spielfilmen die ideologischen Extreme des 20. Jahrhunderts sehen: Stalinismus, Kulturrevolution, Nationalsozialismus und die gewalttätigen Folgen, die diese und andere Ideologien hatten (und haben). Dazwischen geschnitten sind auf diesen Split Screens immer wieder Szenen der Gewalt gegen Tiere und der Ausbeutung von Tieren: Tierversuche, industrielles Abschlachten, die Zerstörung von Lebensräumen. Die Tiere sehen diese Szenen mit Verstörung und immer größerer Wut.

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"Die Revolution ist ein Selbstangriff", sagt die Frauenstimme an anderer Stelle. Sie sagt auch: "Hinschauen tut weh". Es sind die großen politischen Fragen die, Panh in seinem Film verhandelt – Gewalt, Ausbeutung, Ungleichheit, Unterwerfung. Die große Stärke des Films ist die Ästhetik der Mini-Installationen und der Ästhetik "des Schraubstocks von Bildern", wie es die Stimme der Erzählerin treffend beschreibt. So entwickelt der Film einen sehr wirkungsvollen Rhythmus. Die Tiere werden von Unterworfenen zu Anklägern und gewinnen die Oberhand über die Menschen – ja sie werden sogar zu Götzen und Gottheiten und schließlich selbst zu Ausbeutern. Diese Erzählung ist ebenso spannend wie deprimierend, aber sie gelingt, wegen der besonderen Inszenierung und Bildsprache des Films.

Leider verliert der Film in den letzten 20 Minuten an Wirkung. Denn offensichtlich ist der Titel des Films nicht ironisch gemeint. Also muss Rithy Panh die selbstgestellte Aufgabe erfüllen, Hoffnung zu vermitteln. Da werden die Botschaften arg platt und verquast: Ein bisschen Kapitalismuskritik hier, ein kleiner Appell an die Poesie da – gepaart mit einer nervtötend naiven Wissenschaftsskepsis und Bildern von indigenen Frauen, die Affenbabys die Brust geben. Alles wird gut, wenn Mensch und Tier wieder zusammenfinden; die Hand des Zuschauers klatscht vor die Stirn. In den letzten 20 Minuten sabotiert der Film sich selbst – schade. Die 80 Minuten davor aber lohnen sich.

Filmstills: Copyright CDP, Anupheap Production

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Titel

Orignaltitel

Everything Will Be Ok

Credits

Regisseur

Rithy Panh

Jahr

2021

Dauer

98 min.

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