Berlinale 1984

Innenpolitischer Streit um die Freiheit der Filmkunst und die Filmförderpolitik nach der „geistig-moralischen Wende“: Innenminister „Old Schwurhand“ Friedrich Zimmermann (verurteilter Meineid-Schwörer von 1960, der aber 1961 wegen unterzuckerungsbedingter temporärer Debilität freigesprochen wurde) – sorgt sich um Herbert Achternbuschs Wettbewerbsfilm Wanderkrebs und um den Forums-Beitrag Meridian oder Theater vor dem Regen. Zimmermann (Partei? Na welche wohl? Richtig: CSU) und sein Ministerium verweigerten die Auszahlung von Fördermitteln an die Regisseure. Trotzdem liefen die Filme auf der Berlinale.
Merke also, zensieren können die Kalten Krieger auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs besser: Der geplante Eröffnungsfilm Prostschanje (Abschied von Matjora) von Elem Klimow wird vom sowjetischen Filmverband nicht freigegeben. Er läuft im Zeichen von Gorbatschows Reformen erst 1987 auf der Berlinale (Da ist Zimmermann immer noch Innenminister. Merke also auch, Glasnost und Perestroika kamen sowohl in Bonn als auch in Ost-Berlin mit Verspätung an).
Allgemein geklagt wird über die Unübersichtlichkeit des Festivals: Es gibt den Wettbewerb, Sondervorstellungen außer Konkurrenz im Wettbewerb, die Info-Schau, das Kinderfilmfest, das Mittelmeer-Panorama, die Reihe Deutsche Filme und diverse Retrospektiven. Im Forum gibt es die „Hommage an das ZDF-Fernsehspiel“ und zusätzlich zur Reihe „Neue Deutsche Filme“ die „Perspektiven“ mit Studenten- und Debütfilmen. Das war doch gar nicht so schwierig - alles klar?
Ach ja, John Cassavetes gewinnt mit Love Streams den Goldenen Bären. Das radikale Drama um die Alkoholexzesse eines Autors und seiner Schwester – in den Hauptrollen Cassavetes und Gena Rowlands – verstört einen großen Teil des Publikums.

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