Berlinale 1970

Das Skandaljahr: Michael Verhoevens Film O.K., der die Vergewaltigung und Ermordung eines vietnamesischen Kindes durch Soldaten der US-Armee in Motiven bayerischer Passionsspiele erzählt, löst am fünften Festivaltag einerseits Beifall und andererseits hysterische Kritik aus. Ein reales Verbrechen aus dem Jahr 1966 hatte Verhoeven zu dem Film inspiriert. Zum Deppen macht sich bereits am 1. Juli das deutsche Jurymitglied Manfred Durniok, der sich beim amerikanischen Jury-Vorsitzenden George Stevens dafür entschuldigt, dass O.K. als Beitrag der Bundesrepublik Deutschland (sic!) im Wettbewerb gezeigt wird. Dieser Speichelleckanfall ist der Anstoß für eine Lawine an Zensurvorwürfen, Rechtfertigungen, persönlichen Verleumdungen und Verschwörungstheorien. Ergebnis: Die hoffnungslos zerstrittene Jury tritt zurück, der Wettbewerb wird abgesagt, einige Filme zurückgezogen oder nur „informatorisch“ gezeigt. Die Berlinale liegt in Trümmern. Die großartige Fassbinder-Satire über den Irrsinn des Alltags Warum läuft Herr R. Amok? lief zum Glück schon bevor das Festival im Chaos versank.
Aus dem Desaster wächst Positives: Endlich reformiert sich die so oft bürokratisch blockierte Berlinale, das „Internationale Forum des jungen Films“ wird aus der Taufe gehoben.

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