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Juli 2019

Filmfest München: Jan-Ole Gerster bekommt Preis für LARA

Filmstill aus LARA. Zu sehen sind die beiden Hauptdarsteller Tom Schilling und Corinna Harfouch

In der Kategorie Beste Regie geht der Förderpreis Neues Deutsches Kino des Filmfest München 2019 an Jan-Ole Gerster für seinen nach OH BOY zweiten Spielfilm LARA. In der Begründung heißt es:

"LARA ist auffällig, aber nicht aufdringlich formbewusst inszeniert, findet starke und originelle Bilder und ist in jeder Rolle grandios besetzt. Jan-Ole Gerster brauchte Zeit für seinen zweiten Film. Die hat er sich genommen, was sowohl dem Film als auch dem Filmemacher gut bekommen ist."

Den Produzentenpreise erhielt Martin Lischke für LEIF IN CONCERT. Sowohl der Preis für das beste Drebbuch (Nils Mohl und Ilker Çatak) als auch der Preise für das beste Schauspiel (Oğulcan Arman Uslu) gingen an ES GILT DAS GESPROCHENE WORT.

Filmfest München: DER SOMMER NACH DEM ABITUR von Eion Moore

Filmstill auf der Sommer nach dem Abitur - Die drei Hauptdarsteller sitzen im Auto und blicken durch die Frontscheibe

Wenn ein Film mit OUR HOUSE von Madness anfängt, dann hat er (zumindest bei mir) bereits gewonnen. OUR HOUSE ist 80er, Formel 1, plattes Land, Schule...alles lange vorbei.

Nach ihrem Abitur haben Alexander, Paul und Ole es verpasst, zum Konzert ihrer Lieblingsband Madness zu fahren. Jetzt nehmen die ehemaligen Schulfreunde einen neuen Anlauf. Mit einem gelben Golf 1 macht sich die Altherren-Boygroup auf in die Provinz. Dort soll die Ska Band auf einem Open Air noch einmal auftreten.

Regisseur Eoin Moore hat bisher viel Polizeiruf 110 gedreht und war wesentlich an der Erfindung des Rostocker Ermittlung-Duos Bukow und König beteiligt. Vor der Vorführung bekennt Moore, dass der Ausflug ins Komödienfach ihm gutgetan habe. Er werde nun mehr Komödien machen...das sei einfach gesünder als Krimi.

Sichtlich teilt der Regisseur jedenfalls die Lust am bösen Witz, der auch mal knapp über der Tischkante fliegen darf, mit seinen hervorragenden Hauptdarstellern Bastian Pastewka, Hans Löw und Fabian Busch. Es ist erfrischend den Dreien auf ihrem Roadtrip zu folgen. Besonders alle über 40- jährigen werden sich mit weiten Teilen identifizieren können, nicht nur mit der wie selbstverständlich auftretenden Frage, wer man war, sein wollte und nun ist, sondern auch mit der tragenden Musik, sei es nun ACDC oder Whitney Houston.

Sehr gelungen ist ebenfalls die Besetzung der Nebenrollen. Pegah Ferydoni (DIE DEFEKTE KATZE) und Alessija Lause mischen in den Fernsehfilm die genau richtig Menge an Romantik. Die Polizeiruf Kollegen Charly Hübner und Anneke Kim Sarnau sind in kleinen, aber sehr witzigen Szenen zu sehen.

Fernsehstart von der SOMMER NACH DEM ABITUR ist zunächst bei arte und dann im ZDF, wahrscheinlich irgendwann im Herbst. Dann ist diese Komödie eine willkommene Ablenkung von unserer wehmütigen Erinnerung an diesen Sommer.

Filmfest München: ALL I NEVER WANTED von Annika Blendl und Leonie Stade

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Annika Blendl und Leonie Stade nähern sich von zwei Seiten dem sehr eindimensionalen, auf Jugend getrimmten Frauenbild in unserer Gesellschaft. Eine von der Schauspielerin Mareile verkörperte Fernsehkommisarin muss sterben. Eine jüngere Kollegin steht bereit für die Ablösung. Nina startet mit 17 ihre Modelkarriere in Mailand und wird von ihrer Agentur von Casting zu Casting geschickt.

Beide der Hauptfiguren sind auf ihre ganz eigenen Weise in den Mechanismen der Unterhaltungsindustrie gefangen. Mareile muss die einzige sich ihr bietende Chance ergreifen und an einem Theater in Lindau die Jungfrau von Orlean spielen. Nina muss den voyeuristischen Regeln der Modebranche folgen, wenn sie Erfolg haben will.

ALL I NEVER WANTED mischt munter fiktionales mit nicht-fiktionalen Material. Die Grenzen verschwimmen. Annika Blendl und Leonie Stade spielen sich als Annika Blendl und Leonie Stade, die einen Dokumentarfilm über Mareile und Nina drehen, die auch im wirklichen Leben Schauspielerin und Model sind. Die Verschachtelung der Wirklichkeitsebenen verwirrt, macht den Film aber zu einem gelungenen Experiment.

Annika Blendl und Leonie Stade haben bereits mit MOLLATH - UND PLÖTZLICH BIST DU VERRÜCKT einen bemerkenswerten Dokumentarfilm gedreht. ALL I NEVER WANTED ist nun ihr Abschlussfilm an der Hochschule für Film und Fernsehen München. Wir können gespannt sein, welches Projekt sie als nächstes präsentieren werden.

Filmfest München: MAKING WAVES – THE ART OF CINEMATIC SOUND von Midge Costin

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Sound Editor Walter Murch

Künstler, die wir mit STAR WARS verbinden: George Lucas, Harrison Ford und Carrie Fisher. Acopalyse Now? Francis Ford Coppola und Marlon Brando.

Wenn Fußballspieler nach dem Spiel interviewt werden, heben sie immer wieder hervor, dass viele andere ebenfalls am Erfolg beteiligt waren. Auch Regisseure und Schauspieler werden nicht müde zu betonen, dass unzählige Talente in den verschiedensten Bereichen zum Film als Gesamtkunstwerk beitragen.

MAKING WAVES – THE ART OF CINEMATIC SOUND ist in diesem Sinne von großem Wert. Regisseurin Midge Costin öffnet uns buchstäblich die Ohren. Sie lässt ein Stück Filmgeschichte aufleben und bringt Legenden auf den Gebieten Sound Editing und Sound Design vor die Kamera. Uns wird bewusst, wie stark die Arbeit von Walter Murch und Ben Burtt das Filmerlebnis von Klassikern wie APOCALYPSE NOW und STAR WARS geprägt haben. Fast wie selbstverständlich kommt uns mit der Erinnerung an Star Wars auch der Sound der Lichtschwerter und das Zischen der Kampjäger des Imperiums ins Bewusstsein.

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Welcher STAR WARS Figur hat wohl dieser kleine Bär die Stimme verliehen?

Costin widmet sich aber nicht nur Sound Effekten, sondern stellt sie in den größeren Zusammenhang mit anderen Arbeiten in der Disziplin wie Dialog, Musik oder Automatic Dialogue Replacement (ADR), die nachträgliche Aufnahme von Dialogen.

MAKING WAVES ist äußerst unterhaltsam und dabei im besten Sinne lehrreich. Das kommt nicht von ungefähr. Midge Costin hat an der renommierten UCS School of Cinematic Arts die Professur für Art of Dialogue und Sound Editing, ein Lehrstuhl der übrigens von keinem geringerem gestiftet wurde als George Lucas.

Filmfest München: LARA von Jan-Ole Gerster

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Es ist eine ganz schnörkellos erzählte Geschichte. Leicht. Ohne viel Wendungen. Das mag ich.

Ein verträumter Film. In dem Sinne, dass sich Dinge wie im Traum aneinanderfügen, sich ergeben.

Der Tag von Lara ist in vielerlei Hinsicht besonders. Nicht nur weil sie an diesem Tag 60 wird. Wir folgen ihr zielstrebig ohne festes Ziel durch den Tag. Wichtige Menschen, Begegnungen ziehen vorüber. Zum Finale sind sie wieder da.

Es könnte ein deprimierender Film sein, ist er aber nicht, jedenfalls nicht solange man ihn schaut. Vielleicht kommt das erst nach dem ersten, zweiten, dritten Mal drüber schlafen?

LARA ist für Regisseur Jan-Ole Gerster der Film nach OH BOY. OH BOY war groß. Für Gerster und insbesondere auch für Tom Schilling. Schilling spielt wieder mit. Es sind nur wenige Szenen, er ist aber dennoch sehr präsent.

Getragen wird der Film von Corinna Harfouch. Während des Films denke ich: Corinna Harfouch ist die deutsche Entsprechung von Isabelle Huppert. Wahrscheinlich haben das bereits viele vor mir gedacht. Sie werden sich durch LARA bestätigt fühlen.