Der erste Berlinale-Film und gleich ein Volltreffer: Renaud Barrets Film über Street Art-Künstler in Kinshasa ist atemberaubend und ermöglicht intime Einblicke in die kongolesische Hauptstadt. „Street Art“ klingt aber viel zu brav für die radikalen Kunstaktionen, die der Regisseur mitten in der chaotischen 13 Millionen Metropole begleitet.
Seit Jahrzehnten kennt er die Stadt, seit 2011 arbeitet er an diesem Film. Durch das offensichtliche Vertrauen der Künstlerinnen und Künstler in seinen Film entsteht eine besondere Dokumentation über Menschen, die mit ihrem Schaffensdrang die Ausbeutung des Kongo und die Hoffnungslosigkeit seiner Bewohner in drastischen Performances und eindringliche Kunstwerken thematisieren.
Dabei verarbeiten sie den überall in Kinshasa abgeladenen Elektroschrott und Plastikmüll – das ist das, was vom Rohstoff-Reichtum des Kongo, von denen nur andere profitieren, wieder zu den Menschen vor Ort zurückkommt. Jeder weiß hier um den Urprung der kongolesischen Misere, um die korrupte Regierung, die brutalen Machenschaften internationaler Konzerne und der Komplizenschaft der so genannten westlichen Welt. Dies anzuprangern ist gefährlich, den Künstlern droht Verhaftung und Folter.
Einer von ihnen ist Freddy Tsimba, der auch nach Berlin gekommen ist. Als er mitten in Kinshasa ein aus Macheten gebautes Haus aufstellt und damit die Gewalt und Repression im Land zum Thema macht, wird er vom Geheimdienst verhört. Ständig überschreiten die Künstler Grenzen, nicht zuletzt die Unversehrtheit der eigenen Körper, die sie mit Wachs, Blut und Lacken malträtieren. Aus dem Müll entstehen fantastische Instrumente, deren magische Rhythmen den Film begleiten und die brodelnde Energie der kongolesischen Künstler widerspiegeln. Hier geht es nicht um akademische Debatten über Kunst, aber die Interventionen funktionieren universell und weisen weit über den kongo hinaus. Hier geht es um nicht weniger als den Ursprung der Kunst. Ein gelungener Film und ein herausragendes Berlinale-Erlebnis. Schon jetzt ein Favorit für den Panorama-Publikumspreis und den Amnesty-Menschenrechtspreis.