Mit Jazz konnte ich noch nie so richtig viel anfangen. MILES AHEAD könnte das ändern. Wie Melodien entwickeln sich Geschichten parallel, greifen Zeitebenen ineinander, um am Ende ein vielleicht nicht vollständiges, aber doch klar konturiertes Bild entstehen zu lassen.
Die erste Regiearbeit von Don Cheadle ist dem Jazzmusiker Miles Davis gewidmet. Davis war ein ziemlich cooler Hund. Cheadle ist ebenfalls ein ziemlich cooler Hund. Wie nicht anders zu erwarten, ist MILES AHEAD daher ein ziemlich cooler Film.
Man sieht noch keine Person, aber man hört bereits eine Stimme. Zunächst denkt man, das ist die Stimme einer alten Frau, die ihr ganzes Leben lang Kette geraucht hat. Dann sehen wir Miles Davis. Wie Don Cheadle die Stimme von Davis imitiert, ist grandios. Aber auch wie er die Egozentrik, die radikale und anderen gegenüber herablassende Art des Musikers rüberbringt, macht einfach Spaß.
In Zentrum des Films steht die sogenannte Schaffenspause des Musikers von 1975 bis 1981. In dieser Zeit nahm Davis seine Trompete nicht mehr in die Hand. Dafür widmete er sich um so mehr den verschiedensten Drogen. Miles Davis war im wahrsten Sinne "abgefuckt".
Eine Geschichte, um ein Tape, das Davis unter Verschluss hält, bildet die Rahmenhandlung von MILES AHEAD. Als das Tape entwendet wird, holt es sich Davis mit Hilfe eines langhaarigen Reporters vom Rolling Stone Magazine (amüsant gespielt von Ewan McGregor) auf seine ganz eigene Art wieder.
In diesem manchmal fast blackpoitation-artigen Plot sind in Rückblenden Szenen aus Davis Zeit mit Tänzerin Francis Taylor (Emayatzy Corinealdi) eingebunden. Auch diese Phase von 1955 bis 1965 spielt Cheadle sehr überzeugend und man erkennt Entwicklungslinien zu Davis Zeit in den Siebzigern.
Natürlich kommt auch die Musik im Film nicht zu kurz. Cheadle hat extra Trompete spielen gelernt und man muss sagen, dass er sich wacker schlägt. Am Ende des Films steht er sogar mit Davis ehemaligen Bandkollegen wie Herbie Hancock gemeinsam auf der Bühne.
In der Berlinale Pressekonferenz bemerkt ein Reporter, dass ein Miles Davis Filmprojekt auch kräftig hätte schiefgehen können. Zum Glück ist das bei MILES AHEAD nicht der Fall. Cheadles Ansatz, einen Film nicht "über" Miles Davis, sondern „wie“ Miles Davis zu machen, geht voll auf. Anstatt museal das Leben des Musikers nachzuerzählen, lässt er gekonnt Impressionen aus verschiedenen Lebensabschnitten ineinanderfließen. MILES AHEAD ist Jazz als Film.
Nächste Woche werde ich mir Platten von Miles Davis anhören. Vielleicht verstehe ich Jazz als Musik nun etwas besser.