Todesstrafe in Südafrika: Die Komplexität der Schuld
Oliver Schmitz hat einen extrem eindrücklichen Film über die Todesstrafe in den letzten Tagen des Apartheid-Regimes in Südafrika gemacht. Erst 1995 wurde sie unter Mandela abgeschafft, seit 1987 galt ein Moratorium. Der Film erzählt die Geschichte von Leon, einem jungen Mann im südafrikanischen Polizeidienst, der sieben schwarze Südafrikaner in einem Minibus erschossen haben soll. Gegenüber seinem Pflichtverteidiger schweigt er zunächst zum Tathergang. Johan Webber, ein bekannter Gegner der Todesstrafe, ahnt, dass die Tat seines jungen Mandanten andere Motive als Mordlust hat.
Nach und nach erfährt er, dass Leon bereits mit 17 in den Gefängnisdienst eintrat, um dem Einzug in die Armee zu entgehen und im Trakt der zum Tode verurteilten Dienst leisten muss. Dort ist seine Aufgabe, die Delinquenten kurz vor der Hinrichtung zu betreuen. Er liest ihnen aus der Bibel vor und trifft Angehörige. Dann führt er die Verurteilten zum Schafott und wird Zeuge der brutalen Hinrichtungen am Galgen, die der Film in schmerzhaftem, schwer zu ertragenden Bilder in allen Details nachstellt und filmt. Er ist „Hirte“ und „Schlächter“. Nun droht ihm die fast sichere Todesstrafe wegen Mordes.
Vor Gericht ergründet Webber Leons Motive; noch am Tag des Verbrechens hatte er Dienst im Todestrakt und muss die Erhängten von den Seilen lösen und beerdigen. Er läuft Amok, als die Tür des Minibusses seiner Opfer zuschlägt; dasselbe Geräusch wie beim Öffnen der Falltüren unter dem Galgen, den Moment den Leon über 150 mal miterleben musste. Am Ende wird Leon verurteilt. Die Mehrheit der Richter entscheidet nach Webbers emotionaler Beweisführung aber auf eine Gefängnisstrafe.
Der Film, der auf Tatsachen beruht, wendet sich somit einem ungewöhnlichen Thema zu, das eine neue Stufe er Vergangenheitsbewältigung symbolisiert. Ohne zu verharmlosen zeigt Regisseur Schmitz, dass auch Täter im unmenschlichen Aparteidregime schwere Traumatisierungen erleiden konnten. Während viele Täter Straffreiheit genossen und ihre wirtschaftlichen Karrieren und Privilegien im Post-Apartheid Südafrika ungeniert fortsetzen können, leiden andere bis heute unter post-traumatischen Belastungsstörungen. Schmitz’ bewegender Film ist eine mächtige Anklage gegen die Todesstrafe mit universeller Gültigkeit, der in Südafrika für Diskussionen sorgen dürfte.