Dienst nach Vorschrift - neuzeitliche Sklavenhaltung im Libanon
Regisseur Maher Abi Samra filmt überwiegend in einer der vielen Agenturen für „Dienstmädchen“ im Libanon. Ein euphemistischer Begriff für die jungen Frauen, die aus bitteren Existenznöten von ihren Familien aus Südostasien oder Afrika in arabische Länder geschickt werden. Die meisten kommen in die Golfstaaten, nach Saudi-Arabien oder Qatar, wo sie oft wie Sklavinnen gehalten werden und Jahre brauchen, bis sie die Schulden der legalen oder illegalen Einreise abbezahlt haben und überhaupt einen schmalen Verdienst erwirtschaften können.
Im kleinen Libanon ist es Phänomen der gesellschaftlichen Elite. Zwar gehen nur 2-3% der Frauen im Rahmen dieses regelrechten Menschenhandels, der einen großen Wirtschaftszweig darstellt, in den Libanon. Aber fast jede Familie, die es sich leisten kann, hat Angestellte. Zu Beginn zeigt die Dokumentation Familien, die sich in einem Katalog junge Frauen aussuchen wie Haushaltsgegenstände. Wer ist „haltbarer“, wer macht keinen Ärger? Der Film entscheidet sich bewusst, nicht die Frauen selbst zu Wort kommen zu lassen, sondern beschäftigt sich mit den mittelbaren und unmittelbaren Ausbeutern.
Der Regisseur kennt das Phänomen aus seinem Umfeld; auch seine Eltern ließ er betreuen. Das Dienstmädchen einer befreundeten Familie nahm sich aus Verzweiflung Leben. Die redeten sich ein, sie habe es aufgrund von „persönlichen Problemen“ getan, ohne Bezug zur Zwangslage in ihrem Haushalt. Das will Maher Abi Samra nicht gelten lassen. Er macht einen eindrucksvollen Film, der nicht moralisierend Einzelnen die Schuld gibt. Vielmehr zeigt er ein System, dass ohne eine Kombination aus menschlicher Ignoranz, Beharren auf persönlichem Vorteil, Rassismus, kapitalistischer Ausbeutung und staatlichem Regulierungsversagen nicht funktionieren könnte. Wer als deutscher Zuschauer mal wieder auf „die anderen“ zeigen will, sollte nicht vergessen, dass dieses Phänomen auch in Deutschland tägliche Realität ist, von der Zwangsprostitution bis hin zur illegalen Anstellung von osteuropäischen Pflegekräften, die in zunehmender Zahl in Deutschland alte Menschen betreuen.