Ramasan (Ramasan Minkailov) ist elf Jahre alt. Vor sechs Jahren ist er mit seiner Mutter Aminat (Kheda Kazieva) und seinen beiden kleinen Schwestern aus Tschetschenien geflohen. Jetzt lebt er mit ihnen in einer Wohnanlage am Rand von Wien mit anderen Flüchtlingsfamilien. Ramasans Vater ist im Tschetschenienkrieg ums Leben gekommen. Fotos von ihm hängen wie in einer Art kleinem Schrein in der Wohnung der Familie, zusammen mit einem verzierten Krummsäbel. Dann taucht Isa (Aslan Elbiev) auf. Ein Freund des Vaters, der mit ihm im Krieg gekämpft hat. Bei sich hat er eine Uhr, die Ramasans Vater gehörte und ein Familienfoto.
Ramasan macht, was viele elfjährige Jungs machen: Unsinn, Fußball spielen, sich mit anderen Jungs messen. Aber oft muss er auch Verantwortung übernehmen: Er muss seine kleinen Schwestern vom Kindergarten abholen, wenn seine Mutter arbeitet und er muss bei Behördengängen übersetzen, weil er viel besser Deutsch spricht als sie. Mit Isa hat Ramasan auf einmal so etwas wie eine Vaterfigur. Isa kann Sachen reparieren, schnitzen und er ist bereit Ramasan zu zeigen, wie das geht. Bald verbringen die beiden viel Zeit miteinander. Doch als Isa erzählt, dass er und Ramasans Vater sich im Krieg auch „dumm“ verhalten hätten, schlägt die Bewunderung des Jungen in Wut um. Dass jemand das Idealbild seines Vaters angreift kann er nicht ertragen. Seine Verwirrung wird noch größer, als er durch Zufall ein Gespräch seiner Mutter belauscht und etwas über seinen Vater erfährt, was kein Junge über seinen Vater wissen will.
Der österreichische Beitrag der Regisseurin Sudabeh Mortezai ist eine von mehreren Coming-of-Age-Geschichten im diesjährigen Wettbewerb. Ihre ersten beiden Langfilme CHILDREN OF THE PROPHET und IM BAZAR der GESCHLECHTER waren Dokumentationen und auch ihr erster Spielfilm setzt auf eine dokumentarische Ästhetik. Sie hat ausschließlich mit cecasteten Laienschauspielern gedreht. Das hat Vor- und Nachteile: Gerade die Hauptfiguren werden so eindringlicher und authentischer, das gilt besonders für das Zusammenspiel von Ramasan Minkailov, Aslan Elbiev und Kheda Kazieva. In einigen Szenen werden aber auch die Grenzen eines Laienensembles sehr deutlich, was den Zuschauer immer wieder kurz aus dem Film wirft. Trotz dieser Schwächen ist MACONDO ein spannender, detailreicher Film. Er zeigt, mit welchem Druck ein Elfjähriger fertig werden muss, wenn er nicht nur früh Verantwortung übernehmen muss, sondern auch noch mit den überhöhten Männerbildern fertig werden muss, die ihm seine Umgebung vorlebt. Und es ist auch sehr gelungen, wie Mortezai vermittelt, dass die Tatsache Flüchtling zu sein, diesen Druck noch erhöht. In dieser Situation können ganz normale Fehler eines Elfjährigen weitreichende Auswirkungen haben. Das Schönste an MACONDO ist die Schlussszene: Eine Szene ohne Worte, deren Botschaft sehr komplex, trotzdem verständlich und vor allem hoffnungsvoll ist.