THE BIG EDEN von Peter Dörfler

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"Wenn es ihn nicht geben würde, dann müsste man ihn erfinden". Nach THE BIG EDEN ist klar: Wenn auf jemanden dieser Spruch passt, dann auf Rolf Eden. Rolf Eden ist eine Art deutscher Hugh Hefner. Er war schon Playboy, als es das Wort noch gar nicht gab und bleibt diesem Image bis in die Gegenwart treu.

Ohne Frage hat die Zeit ihre Spuren im Gesicht von Rolf Eden hinterlassen. Seine Persönlichkeit und seinen Lebensstil hat sie aber nicht geändert. Eden ist inzwischen 80 Jahre alt, trägt weiter weiße Anzüge, fährt Rolls Royce und ist mit einer Frau verheiratet, die mit 30 Jahren jünger ist als einer seiner Enkel. Verblüffend an THE BIG EDEN ist nicht nur, dass alle seine Ex-Frauen bereitwillig über ihn Auskunft geben, sondern auch, dass sie dabei kaum eine schlechtes Wort über ihn verlieren.

Eden, der nicht nur als charismatisch, sondern häufig auch als manipulativ charakterisiert wird, kann sich sehr gut in andere Menschen hineinversetzen und gibt "seinen" Frauen Anerkennung und Bestätigung. Das funktioniert solange, bis die Gefahr besteht, dass sie einen Schatten auf seine Welt werfen, die so weiß ist wie seine Anzüge.

Wenn die Mutter seines jüngsten halbwüchsigen Sohnes erzählt, wie Eden auf ihre Schwangerschaft reagiert hat, wird dies besonders offensichtlich. "Kinder sind was tolles und wenn du es haben willst, dann gehen wir gleich feiern, aber von da an ist es dann deine Sache.", war Edens Reaktion und sie erzählt weiter: "So war es dann auch: Wir gingen feiern und das nächste mal als ich von Rolf hörte, war ich im fünften Monat schwanger."


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Neben seinen Frauengeschichten ist natürlich auch Edens herausragende Rolle für das Berliner Nachtleben ein Thema. Seit den 60er-Jahren hatte Eden mehrere Nachtklubs und Discos, in denen sich Prominente wie Richard von Weizsäcker, Kojak oder Klaus Kinski die Klinke gaben.

Am Interessantesten in THE BIG EDEN ist aber eine Episode in Israel. Peter Dörfler filmt Eden wie er mit seiner Frau Brigitte Tel Aviv besucht. Eden ist 1933 zusammen mit seinen Eltern nach Palästina emigriert und hat später als junger Mann in der Truppe von Yitzhak Rabin im israelischen Unabhängigkeitskrieg gekämpft.

In Israel scheint Eden nicht nur eine Rolle zu spielen. Er ist stärker bei sich, als in Deutschland. Auch in den Interviews mit Familienangehörigen und Freunden kommt ein anderer Eden zur Sprache. Ein Rolf Eden, der zwar nicht über Krankheiten sprechen will, der aber da ist, wenn man ihn braucht. Mit viel Wärme wird über die großzügige Seite von Eden gesprochen. Er selbst verliert darüber kein Wort. Das ist umso bemerkenswerter, weil dies der derselbe Mann ist, der keine Hemmungen hat, bei Sandra Maischberger über seine Genüsse in einem Flatrate Bordell zu schwärmen.
Es war für Eden ein sichtliches Vergnügen bei einem Film über sich selber mitzuwirken. Er ist ja sozusagen vom Fach. Über Jahrzehnte hat er sich bei jeder Gelegenheit zusammen mit seinen Eroberungen gefilmt. THE BIG EDEN stellt diese Selbststilisierung und Realitätsflucht fest, macht aber keine Anstalten, sie aufdringlich zu hinterfragen. Im Gegenteil mit der Musik und mit Schrifteinblendungen im Stil von siebziger Jahre Serien verstärkt der Film sogar noch das Image von Eden. Genau damit wird der kurzweilige und amüsante Dokumentarfilm der Kunstfigur Rolf Eden gerecht. Die Frage, ob es hinter den vielen Fassaden auch einen "wahren Rolf Eden" gibt, kann am Ende schließlich weder der Zuschauer, noch der Regisseur und wahrscheinlich nicht einmal Eden selbst beantworten.

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Beeindruckend auch die Fähigkeit Edens (vielleicht ja sein Schlüssel zum Erfolg) alles Negative zu verdrängen. Er geht nicht auf Beerdigungen, er spricht nicht über Krankheiten, er will nicht von Leuten umgeben sein, die negativ sind. Warum er dann Anfang der 50er nach Berlin zurückging, wo noch immer genug Nazis und Altnazis und Unverbesserliche rumliefen und auch wieder am Ruder saßen, ist eigentlich auch nur mit dieser Fähigkeit zu begreifen: er schaut nicht zurück, er sieht nur das Positive. Vielleicht ja auch das Glück, dass aus seiner Familie niemand im Holocaust umkam - ein Geschehen, das Eden "keine schöne Sache" nennt, weil andere Begrifflichkeiten vielleicht doch zu nah an ihn ran kämen.

Außerdem interessant wie der sich ständig filmende Rolf mit seinen Frauen Orte filmisch doppelt und das Verstreichen von Zeit dokumentiert: wenn er immer in das gleiche Hotel in Paris fährt, das gleiche Zimmer und wir sehen Aufnahmen aus seinem Privatarchiv mit diversen attraktiven Damen aus aller Welt im Bett und dann in der Gegenwart mit seine Frau an eben diesem Ort mit dem Fenster und dem identischen Charmeur-Ton - dann steckt darin das Paradox des gleichen Flusses "Zeit", in den man nie zweimal taucht und ein Dokument der Veränderung.

Und irgendwie begreift man, dass Vergangenheit, nicht nur für Eden, vor allem eines ist: vorbei. Besonders dann, wenn man ein Mann wie Eden ist, der im Jetzt lebt, genießt und dabei immer der Gleiche bleibt. Dann zieht die Zeit an einem vorbei und man selbst ist die einzige Konstante.

Sehr schöner Film über einen Beruf, der am Aussterben ist mit all den neuen Vätern und Frauen, die Karriere auch ohne Männer machen. Aber: eine Frau (ggf. mehrere hintereinander oder gleichzeitig wie Eden) mit einem Ring oder Reisen oder Geschenken zu beeindrucken, das ging immer und wird wohl immer gehen. Und ist ja auch ok so, denn einen Mann mit bestimmten Dingen beeindrucken, das ging auch immer und wird auch immer gehen.

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Titel

Orignaltitel

The Big Eden

Credits

Regisseur

Peter Dörfler

Land

Flagge DeutschlandDeutschland

Jahr

2011

Dauer

90 min.

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