QUALUNQUEMENTE (Whatsoeverly) von Giulio Manfredonia

Qualunquemente.jpg

Selbst Satire übertrifft kaum die Wirklichkeit in Italien

War auf dem Weg in einen Film aus den USA, als Handzettel verteilt wurden, die das Elend der italienischen Kulturindustrie beschrieben, es tauchten plötzlich viele hübsche Frauen mittleren Alters in Pelzmänteln auf und Männer mit grau melierten Haaren und sehr gut sitzenden Anzügen, ein freundlich aufgeregtes Geschubse und Geplapper und Geschiebe setzte ein: der italienische Film Qualunquemente hatte Premiere im Panorama.

Das Problem des Films: Die größte denkbare Satire ist die Wirklichkeit in Italien, nur dass so viele Italiener das nicht begreifen wollen. Wie sagte Romano Prodi in einem Interview: die Berlusconi Wähler, das sind all diese Zweite-Reihe Parker, die nie in den Rückspiegel sehen. Und Silvio ist ihr Held, weil er sich seine Gesetze nun selbst macht und la famiglia (und die Freunde und Gönner) versorgt wie einst der Padrone. Womit auch die Handlung dieser Groteske vom Regisseur Gulio Manfredonia beschrieben wäre. Er zeigt das Setting der italienischen Politwirklichkeit in einer Kleinstadt in Kalabrien. Eine Art italienischer NeoSurrealismus mitten im Leben.

Der Ich-will-alles, weil-ich-der-Größte-bin-Typ Cetto La Qualunque (etwa: Cetto Werauchimmer) kommt zurück, muss erfahren, dass sich in seinem Ort viel verändert hat: Nicht nur dass seine Frau es nicht gut findet, dass er mit einer hübschen Brasilianerin auftaucht, nein es ist was faul in Staate Italien: plötzlich sollen keine Campingplätze auf etruskischen Ruinen mehr erlaubt sein, es soll sogar Leute in der Stadt geben, die Steuern zahlen und ein unbescholtener Bürgerrechtsaktivist macht sich gar auf, Bürgermeister zu werden. Das ist nicht mehr das Italien von Qualunque, er muss eingreifen und selbst kandidieren.

Schon in den ersten 10 Minuten werden sämtlich Italiener-Klischees auf hochpotenzierte Art vorgeführt und doch hat man als aufmerksamer Italienbeobachter das Gefühl, soooo weit weg von der Wirklichkeit ist es nicht: korrupte Hinterzimmergeschäfte alter Männer, illegale Bauten, Typen mit weißen Anzügen und Hermes-Halstüchern neben goldbehängten, viel zu blonden Frauen mit riesigen Brüsten. Von der „Ehre der Familie“ schwafelnde Puffgeher und Fremdvögler, deren vulgäre Gossensprache beim Wähler ankommt, genau wie all die Unverfrorenheit ihres Handelns, die Intellektuellenfeindlichkeit und die krankhafte Abneigung gegenüber staatlichen Regeln jeder Art. Schön die Szene, als der Chef der Polizei in einem Restaurant eine Quittung verlangt und die ganze Stadt den Atem anhält: eine WAAAAAAS?

Es waren viele Italiener da, die herzlich lachten, den anderen Besuchern schien es offenbar doch zu grotesk und platt und Hau-den-Lukas humorig; auch kam der Dialekt und regionale Wortwitz in den englischen Untertiteln wohl nicht immer rüber.

20116501_1_Popup1.jpeg

Der Film hat seine (wenigen) Momente, aber die Story ist zu flach und durchsichtig. Denn natürlich verspricht Qualunque vor der Wahl jedem alles (Alle Steuern weg und für jeden einen Espresso! Das ist dann ein bisschen FDP nur auf italienisch), dem Gegenkandidaten wird das Auto gesprengt, Qualunque beschimpft ihn übel und alle applaudieren, er steht mit Huren auf der Bühne und verkündet sein „Programm“: Pussys für alle! Dabei ist er kein totaler Unsympath, sondern auf eigenartige Weise einfach bewundernswert er selbst in seiner dummen Rücksichtslosigkeit, Maßlosigkeit und Freude am Leben (Frauen/Autos/Schwafeln).

Wenn man den ganzen Film durchsteht und im Anschluss in eine Show in einem italienischen Fernsehsender zappt, kann man zwischen Fiktion dieses Films und der Wirklichkeit kaum unterscheiden.

Das Vorhersehbare, das so Offensichtliche, ja die groteske Schlichtheit der Filmhandlung und der Figuren ist zugleich Ausdruck, wie klar, vorhersehbar und immer gleich die Verhältnisse in Italien wirklich sind und wie die Männer und Frauen, die dort Politik machen, sie betreiben.
Um diesen Irrsinn in Politik und Wirtschaft und „Kultur“ zu beenden, bräuchte es eine ägyptsiche Revolution in Italien. Nur leider sind die meisten Italiener mit sich oder mit Fernsehen oder Zweitereihe-Parken beschäftigt. Oder sie suchen den Quittungsblock.

Kommentare ( 1 )

Der Film scheint nicht weit weg von dem jetztigen Italien zu sein, jeder macht was er will und das Denken "wenn die da den Staat betrügen, warum nicht auch ich?" Jeder macht seine eigenen Gesetzte und wenn es darum geht Mister Präsident vor Augen zu halten wie weit er Italein in die SCHEIßE teribt, dann heisst es, das geht uns nichts an was er privat macht. Berlusconi hat es geschafft die Italiener zu erblinden...Oh der Film wäre nichts für mich, auch wenn er sehr platt ist und alle Kilischees erfüllt, würd es mir das schöne Bild von meinem Itlaien zerstören.

Danke für die ehrliche Beschreibung des Films;-)

Kommentiere den Film oder den Eintrag

Titel

Orignaltitel

Qualunquemente

Englischer Titel

Whatsoeverly

Credits

Regisseur

Giulio Manfredonia

Schauspieler

Antonio Albanese

Lorenza Indovina

Sergio Rubini

Land

Flagge ItalienItalien

Jahr

2011

Dauer

96 min.

Impressum