Seelenqualen im Hotel
"Das Schweigen" bildete 1963 mit den Filmen "Wie in einem Spiegel" (1960/1961) und "Licht im Winter"(1961) den Abschluss einer Trilogie, in der sich Bergman nach eigenen Worten mit den Alpträumen seiner Jugend und den für ihn angstbesetzten Instanzen Vater und Gott auseinandergesetzt hat. Im Zentrum des Films stehen die Schwestern Ester und Anna, die sich gemeinsam mit Annas kleinem Sohn auf der Rückreise aus dem Urlaub befinden. Wegen einer Erkrankung Annas müssen die drei ihre Heimreise unterbrechen und einige Tage in einem düsteren Grandhotel irgendwo in einem fiktiven südländischen Land verbringen, in dem niemand ihre Sprache versteht. Dieser Aufenthalt mündet in einem erbitterten Psychoduell zwischen den beiden Schwestern.
Der wie ein Kammerspiel angelegte Film vermittelt eine klaustrophobische Atmosphäre der Hoffnungslosigkeit und Kälte, die durch die allgegenwärtige Sprachlosigkeit noch verstärkt wird. Das Verhältnis der Schwestern wird dominiert von unterdrückten Schuldgefühlen und von einer gegenseitigen Hassliebe, die sich immer weiter steigert. So dienen die sexuellen Abenteuer von Anna mit einem Kellner vor allem dazu, ihre Schwester zu verletzen. Die verstörende Handlung lässt dabei verschiedene Interpretationen zu. Es ist zum Beispiel möglich, die beiden Schwestern im Film nicht in erster Linie als eigenständige Personen zu begreifen, sondern sie in einer psychoanalytischen Lesart als Es und Über-Ich Anteile ein- und desselben Charakters zu verstehen, der mit sich selber einen inneren Konflikt austrägt. Dieser Eindruck wird verstärkt durch die zahlreichen Symbole, die den Film durchziehen und nicht zuletzt auch durch die häufigen Kameraeinstellungen, die die beiden Gesichter der Schwestern zusammen, über- und nebeneinander zeigen.
DAS SCHWEIGEN löste durch die darin enthaltenen für damalige Verhältnisse sehr freizügigen Sexszenen einen handfesten Skandal aus und die Frage "Kunstwerk oder Pornographie" wurde in der Presse und in Leserbriefen erbittert diskutiert. Obwohl der Film alles andere als leicht zugänglich ist, war er komerziell - wohl nicht zuletzt auch wegen des flankierenden Skandals- ein großer Erfolg für Bergman. Allein in Deutschland hatte der Film über elf Millionen Zuschauer.