Berlinale Countdown 2011: "Fanny und Alexander" von Ingmar Bergman

Schon als ich FANNY UND ALEXANDER zum ersten Mal sah, selber fast noch Kind, haben mich am stärksten die Häuser und Räume in diesem Film fasziniert. Das weihnachtliche geschmückte Familiendomizil in Uppsala. Die kargen Zimmer im Bischofssitz. Und nicht zuletzt das verwunschene Innere von Isaks Haus, voller Marionetten und geheimnisvoller Zimmer. Die verschwenderische Breite, mit der diese Räume gezeigt werden, zeichnet die Erzählweise des ganzen Filmes aus.

FANNY UND ALEXANDER ist ein fantastisch narrativer Film. Er ist zugleich das Abschiedswerk Bergmans und erzählt seine Geschichte voller Kraft und Eigenheit.
Der Film beginnt mit dem Weihnachtsfest im Hause Ekdahl. Die Ekdahls sind eine großbürgerliche Schauspielerfamilie, eine Ansammlung grandioser Typen, künstlerisch, frivol, großmütig, skurril. Ihre Welt ist die des Theater, bunt durchmischt zwischen „oben“ und „unten“, wo nichts unter den Teppich gekehrt wird.

In dieser Atmosphäre wachsen die Geschwister Fanny und Alexander auf. Deswegen ist es ein entsetzlicher Bruch, als ihr Vater stirbt und ihre Mutter nach einer Trauerzeit den Bischof Vergerus heiratet und mit den Kindern zu ihm auf den Bischofssitz zieht. Hier herrschen keine Sinnesfreude und keine Leichtigkeit, sondern der rigide, sadistische Machtanspruch des Bischofs. Als die Mutter den furchtbaren Irrtum dieser Heirat erkennt, weigert sich der Bischof, sie oder die Kinder ziehen zu lassen. Nur mit Hilfe des alten Familienfreundes Isak - und des Allmächtigen - gelingt den Kindern die Flucht. Die Mutter verlässt den Bischof, nachdem sie ihm ein starkes Schlafmittel gegeben hat. In dieser Nacht sieht Alexander Isaks Sohn Ismael, der das Böse in Alexander verkörpert und dem Bischof den Tod wünscht; in dieser Nacht stirbt der Bischof durch einen Brand; und in dieser Nacht wird klar, dass Alexander für immer gezeichnet sein wird.

Der Film endet, wie er begann, im Hause Ekdahl, bei einem Fest und nach den Worten aus Strindbergs »Traumspiel«: »Alles ist möglich und wahrscheinlich. Die Gesetze von Raum und Zeit sind aufgehoben, die Wirklichkeit steuert nur eine geringfügige Grundlage bei, auf der die Phantasie weiter schafft und neue Muster webt: ein Gemisch von Erinnerungen, Erlebnissen, freien Erfindungen...«

FANNY UND ALEXANDER ist auch eine Abrechnung mit Bergmans eigener Kindheit seinem Vater, einem Pastor, der seine Kinder mit ungeheurer Strenge und drakonischen Strafen erzog. Wie in vielen von Bergmans Filmen geht es auch in diesem letzten Werk um das Verhältnis von Religion und Freiheit, um Tod, Traum und Wirklichkeit. Aber anders als in seinen früheren Werke fehlt FANNY UND ALEXANDER die drängende Unruhe, die offenen Fragen – es ist dies der Film eines Mannes, der seine Kämpfe gelöst zu haben scheint, und so endet dieser Film voller Zuversicht und, ja, Liebe.

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