Mit dem dicken B ins Paradies: Schwerbehindertenkartenvorverkauf

Als ich durch die Arkaden am Potsdamer Platz eile, sehe ich sie: Die Mühseligen und Beladenen, die nach Berlinale-Karten lechzen und in endlosen Schlangen stehen. Diabolisch kichere ich in mich hinein. Ich habe sie, die Eintrittskarte ins Paradies. Einen grün-roter Lichtbildausweis, der mir aufgrund einer „außergewöhnlichen Gehbehinderung“ (Wie geil klingt das?! Bin ich etwa einer von den Gewöhnlichen? – Natürlich nicht.) eine 80-prozentige Schwerbehinderung bescheinigt. Was noch viel wichtiger ist: Ein dickes schwarzes B auf der Vorderseite verkündet amtlich trocken „Die Notwendigkeit ständiger Begleitung ist nachgewiesen.“

So ist das, liebe Filmnerds ... Aufgrund dieser amtlich beglaubigten Hilflosigkeit kann ich gleich im Service Center der Berlinale das Ding drehen, den Bruch machen, den Jackpot knacken – ganz legal. Mehrere Stunden habe ich in der vergangenen Woche mein Hirn arbeiten lassen, das noch außergewöhnlicher ist als mein verblüffender Gehapparat.

Ich habe das Berlinale-Programm gewälzt, Filme aufgelistet und an diesen Listen gefeilt, bis ich mein persönliches, überschneidungsfreies Berlinaleprogramm vom 22 Filmen zusammengestellt hatte. Diese kleine Wunschliste habe ich an den Vorverkauf gemailt, der mich nur einen stark später zurückrief, um grünes Licht zu geben: Alles habe geklappt, ich könne die Karten am 7. abholen.

Jetzt bin ich also auf dem Weg, um Beute zu machen. Und weil ich ein Profi bin, geht das in Minutenschnelle. Während die Journalistenmeute wie blökendes Vieh in Reihen vor den Pressekassen zusammengetrieben wird, mache ich es mir souverän auf dem Stuhl des Schwerbehindertenkartenvorverkaufs bequem. Konspirativ murmele ich meinen Namen. Der freundliche Servicemitarbeiter nimmt meine Mail aus einem Ordner, wirft einen kurzen Blick auf den Zauberausweis und druckt 44 Karten aus – pro Film jeweils eine für mich und eine für die Begleitperson. Unauffällig lasse ich das papierne Gold in meine Jackentasche gleiten. Aber ich war nicht vorsichtig genug.

Das Volk, der Mob, der hinter mir steht, hat etwas mitbekommen. Die Menge nimmt Witterung auf: Dieser Typ hat Karten, viele Karten, zu viele Karten! Warum!? Dieser Drecksack! Und er musste noch nicht einmal anstehen. Der humpelt doch nur, weil er nach der letzten Sauftour aus der Kneipe gefallen ist. So rumort es in ihren Köpfen, das spüre ich. Ich drehe mich um und blicke in viele glühend-neidische Augenpaare. Die, die noch verzweifelt auf Presse- und Mitarbeiterkarten warten, wünschen sich jetzt mindestens ein Holzbein. Mein höhnisches Grinsen lässt sie zurückweichen. Kurz vor dem Ausgang stellt sich mir einer in den Weg. Ich setze meinen Elektroschocker ein, der normalerweise in Schlachthöfen zu Betäubung von Schafen eingesetzt wird. Lautlos zuckend bricht der Schreiberling zusammen. Dann bin ich draußen. Die Karten machen eine schöne Beule in meine Jackentasche. Die Berlinale kann losgehen.

Genauso war es, ich schwöre. Aber vielleicht hat mich auch nur das Berlinalefieber gepackt.

Kommentare ( 1 )

Scheiße, und ich wohn nicht mehr in berlin, um Dich auf dem ein oder anderen Weg um div. Karten zu erleichtern- zur Not mit einem Tritt gegen das Holzbein..viel Spaß und das Popcorn nicht vergessen ! Und die Eggesiner !

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