Kino und Kirche

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Filme können offenbar noch immer politische Debatten auslösen über die Offenheit einer Gesellschaft und Freiheit der Kunst. So auch zwei Filme auf der Berlinale, die in ihrem Heimatland Italien Unruhe stiften oder das politische System portraitieren und den nach wie vor erstaunlichen Einfluss der Kirchen auf Politik und Gesellschaft zeigen.
Wir haben ja in Deutschland auch unsere Bischöfe Dyba und Meissner - die ergrauten Herren äußern sich ebenfalls gern über Dinge, von denen sie wenig Ahnung haben dürften: Kunst, Vaterschaft, Familie, Sex, Homosexualität. Warum soll eigentlich jemand über die Regeln eines Spiels bestimmen können, das er selbst nicht spielt?

Gleich zwei Filme auf der Berlinale zeigen, wie stark der Einfluss der Kirche in Italien noch immer ist. Der eine „Improvvisamente L‘Inverno Scoro" (Plötzlich letzten Winter) von Gustav Hofer und Luca Ragazzi sehr direkt, indem er die Debatte in Italien um das Lebenspartner Gesetz dokumentiert, in deren Debatte sich alle möglichen katholischen Eifferer und sogar der Papst einmischten.
Der andere ist „Caos Calmo - Stilles Chaos“ von Antonello Grimaldi, zu dem Nanni Moretti das Drehbuch schrieb und auch die Hauptrolle spielt. Dieser Film wurde gerade wegen einer Sexszene - der einzigen des Films - von der italienische Bischofskonferenz als als „vulgär“ bezeichnet. Schauspieler sollten sich aus „Gewissensgründen“ von der Darstellung solcher Szenen verweigern, forderten die Männer in ihren Soutanen.
Ungewollt politisch wird der Film „Caos Calmo“ durch die beschriebene Debatte, ein Film, der eigentlich die Geschichte von Trauer und Verlust erzählt. Religion spielt darin keine Rolle. Absichtlich politisch, aber mit viel Witz und Ironie beim Blick in dieses seltsame Land Italien dagegen „Plötzlich letzten Winter.“

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In dem Film „Plötzlich letzten Winter“ wird der Einfluss, den der Katholizismus und der vorgeblich von Italien unabhängige Staat Vatikan auf die Politik in Italien haben besonders deutlich. Eine Allianz von Neofaschisten, katholischen Konservativen, aber auch gläubigen Reformern, denen das Wort des Papstes mehr gilt, als demokratische Debatten und Gleichheitsrechte, machen Front gegen ein Gesetz, das so oder so ähnlich in vielen europäischen Ländern (außer Polen, Irland, Österreich - also sehr katholischen Ländern) bereits existiert. Die beiden Filmemacher, seit vielen Jahren ein Paar, mischen sich mutig in Aufmärsche von Faschisten und Christenmenschen, stellen Fragen zu Familie Liebe und Gleichheit, und erhalten die uralten Antworten, die auch jedem Islamisten gut zu Gesicht ständen
Homosexualität ist
-eine Krankheit
-Hedonismus, aka eine Lebenseinstellung
-ein psychologische Verirrung
-ansteckend
-Gift für die Gesellschaft
-wie Pädophilie und Inzest
-blablabla.

Die Ablehung geht quer durch alle Lager und die meisten kaschieren ihre Homophobie vornehm, in dem sie von Werten und Familie faseln und sich auf „Wahrheit und Glauben“ berufen, zwei Dinge die miteinander soviel zu tun haben wie Kino mit Wirklichkeit.
„Plötzlich letzten Winter“ dokumentiert die Immobilität und Undurchschaubarkeit des politischen Systems in Italien, zeigt den Einfluss, den ein paar Sätze rotgewandeter, alten Herren auf das Abstimmungsverhalten eines demokratisch gewählten Abgeordneten haben. Erschütternd sind die skandalösen Aussagen der Politiker zu Homosexualität: in Deutschland hätten solche Sprüche das Ende, zumindest einen Dämpfer für so jemanden zur Folge - in Italien bekommen solche Leute Schützenhilfe von höchster Stelle.

„Caos Calmo“ entfachte in Italien eine politische Debatte über den wachsenden Einfluss der Kirchen auf gesellschaftliche und kulturelle Fragen. Mancher erinnert sich vielleicht nach an die Mahnwachen in den 80er Jahren vor Kinos als Scorseses „Letzte Versuchung Christi“ lief und religiöse Eifferer (übrigens auch viele Protestanten!) Kinos besetzten und Blasphemie! schrieen. Bei dem Streit ging es wenigstens noch um den Kern christlichen Glaubens: den Gründer Jesus. Doch auch damals hätte den Kirchen ein wenig mehr Gelassenheit gut getan. Es war nur ein Film, keine theologische Schrift, kein historischer Beleg, der behauptete: Jesus hat mit Maria Magdalena gepimpert und Judas war der beste Jünger.

Bei der Aufregung um "Caos Calmo" geht es um eine einzige Szene, wo ein Mann und eine Frau tun, was sie nunmal tun. Aber die Körperfeindlichkeit (die sie "Reinheit" nennen) des Christentums ist nunmal ein Grundpfeiler des Glaubenskonstrukts. Zum Glück geht die Ablehnung dieser Einmischung (noch) durch alle politischen Lager in Italien. Sogar ein vatikanfreundlicher Politiker verbat sich Interventionen "von Schlaumännern der Kirche" in Fragen der Kunst.

Wie anders, wie direkt und biestig wird dagegen in "There will be Blood" das Ringen Kapital gegen Kirche, Geld gegen Glauben gezeigt. Es geht nicht um Familienmoral, Homosexualität und Gleichheitsrechte, nicht Sex oder die Darstellung desselben. Die Kirche in Form des Predigers Eli ist in diesem Film eine bigotte, selbstverliebte, esoterische Kultstätte und endet schließlich mit eingeschlagenem Schädel. Aus den USA sind keine Proteste gegen die Darstellung bekannt.

Kommentare ( 1 )

in deutschland sind dagegen die beiden grossen kirchen mit ihren filmzeitschriften epd-film und filmdienst vorreiter der filmkritik.

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