"Jesus liebt Dich" von Lilian Franck, Matthias Luthardt, Michaela Kirst, Robert Cibis

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Jesus was a Crowd Surfer

Berliner Olympiastadion, Menschenmassen, rhythmisches Klatschen, Sprechchöre... Kennt man, reicht trotzdem wieder nicht für drei Punkte. „Jesus-Jesus-Jesus!“. Halt. Die Hertha-Anhänger mögen ja verzweifelt sein, aber sie können nicht im Ernst glauben, dass Jesus sich für das gewöhnungsbedürftige Hauptstadt-Gekicke interessiert. Die, die wie Fußballfans aussehen, sind gar keine. Es sind evangelikale Christen, die aus aller Welt gekommen sind, um zur Weltmeisterschaft 2006 die Fans zu missionieren.

Organisiert wurde dieses Mega-Missionsevent von der Organisation Youth with a Mission und ihrer deutschen Sektion in Hurlach. Tilman Pforr ist einer der YWAM-Mitglieder. „Jesus liebt dich“ folgt Pforr, dem amerikanischen Prediger der 411-Church Scott Rourk und seinem New Yorker Neu-Konvertiten Cody Mui sowie dem Sambier Gershom Sikaala in ihren Bemühungen, die fußballverrückten dieser Erde bei der WM auf den Weg der Tugend zu bringen. Bei dieser Missionierung ist die Kamera nah dabei. Die Evangelikalen haben es nicht einfach und das liegt nicht in erster Linie an der Sprachbarriere. Schnell wird klar: Dem gemeinen Fußballfan fehlt es am Sinn für die Religion, es sei denn, Jesus kann dafür sorgen, dass der Ball ins Tor geht. Ein großartiger Dialog von Pforr mit einem Jugendlichen im Trikot der Klinsi-Elf vor einer Großleinwand in Nürnberg geht so: „Unser Gespräch war noch gar nicht zu Ende, darf ich für Dich beten?“ – „Aber erst nach der Nationalhymne.“

Es sind nicht nur die Fans, auch bei anderen Deutschen und Europäern stoßen die Evangelikalen auf wenig Verständnis. Besonders die Amerikaner sind auf die kulturelle Inkompatibilität eines amerikanisch geprägten Sendungsbewusstsein und der europäischen Zurückhaltung in religiösen Dingen wenig vorbereitet. Als sie Gratisbibeln verteilen (die haben sie zuvor skurriler Weise bei messianischen Juden in Potsdam abgeholt), stellen sie frustriert fest, dass viele der Bücher von den Passanten im nächsten Papierkorb entsorgt werden.

Es ist die Stärke des gemeinsamen Filmprojekts des Regieteams Lilian Franck, Matthias Luthardt, Michaela Kirst und Robert Cibis, dass sie nicht der Versuchung nachgeben, bei einer Aneinanderreihung von kuriosen Szenen stehen zu bleiben. Wenn sie Tilman Pforr bei der Auftaktveranstaltung von Youth with a Mission in Hurlach zeigen, wird auch in Ansätzen deutlich, wie diese Bewegung funktioniert und warum sie abseits der WM erfolgreich ist: Im tiefsten Oberbayern predigt Pforr im Stil eines TV-Evangelisten vor mehreren hundert Jugendlichen zu lauter Musik, bis diese vor religiöser Inbrunst völlig aus dem Häuschen sind. Danach wird bereitwillig gespendet. Schließlich tanzen sie christlich Pogo inklusive Crowd Surfing. Bei einer Veranstaltung in der Kirche am Südstern in Kreuzberg predigt der Ex-Fußballer Paulo Sergio. Hinterher werden drei deutsche Jugendliche, die sich spontan entschieden haben der Bewegung beizutreten, „in der neuen Familie“ begrüßt. Gefragt wie es war, kann ein Mädchen kaum Auskunft geben: „Es ging wie von alleine, ich dachte, ich muss jetzt nach vorne gehen“, dann schluchzt sie, „überall kribbeln“. Ein Junge im Heavy Metal T-shirt sagt zaghaft: „War halt schon ein bisschen anders als sonst immer.“

Diese kurzen Szenen erklären wesentliche Punkte im Vorgehen der Evangelikalen: Sie schaffen eine unkonventionelle Umgebung, in der sich Jugendliche wohlfühlen, bieten konkrete Projekte an, bei denen jeder mitarbeiten kann und sie setzen vor allem auf Emotionen. Dass sie dabei eine Art emotionale Überrumplungstaktik anwenden, ist ein großes Problem. Wer das mit Recht kritisiert, muss auch darüber nachdenken, warum Sinnverlust und emotionale Defizite, die offensichtlich vorhanden sind, sowenig von anderen Organisationen für Angebote genutzt werden – seien es Kirchen, NGOs, Vereine etc.

„Jesus liebt dich“ ist ein spannender Film. Auch deswegen, weil das Regieteam die Evangelikalen nicht von vorneherein zu Radikalen erklärt. Pforr und die anderen Protagonisten lassen sich eben nicht so leicht mit einigen extrem reaktionären evangelikalen Kirchen in den USA in einen Topf werfen. Das Regieteam nimmt eine kritische Perspektive ein, ohne in Bausch und Bogen zu verurteilen. Der Zuschauer ist aufgefordert, sich seine eigenen Gedanken zu machen. Gedankenfutter bietet die exzellente Website zum Film mit Infos, ausführlichen Ausschnitten und Hintergrundmaterial zum Filmthema.

Kommentare ( 1 )

"Dem gemeinen Fußballfan fehlt es am Sinn für die Religion, es sei denn, Jesus kann dafür sorgen, dass der Ball ins Tor geht." Sehr schön, Töffe. Wenn Gott dafür sorgt, dass der 1.FC Köln aufsteigt, lege ich hiermit das Versprechenn ab, im Kölner Dom eine Kerze anzuzünden und dem nächsten Evangelikalen eine Gratis-Bibel abzunehmen.

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Titel

Orignaltitel

Jesus liebt dich

Englischer Titel

Jesus Loves You

Credits

Regisseur

Robert Cibis

Lilian Franck

Michaela Kirst

Matthias Luthardt

Land

Flagge DeutschlandDeutschland

Jahr

2007

Impressum