Filmutopien am Mittag

Als ich in das Filmmuseum eintrete, kommt Alexander Kluge aus dem Museumscafé herbeigeeilt. Er begrüßt eine alte Freundin, führt sie mit der Umsicht des Gastgeber zu einer Schar wartender Freunde und setzt sich schnell wieder an den Café-Tisch. Er macht sich Notizen für die Veranstaltung, die in 10 Minuten beginnt.

Alexander Kluge ist dieses Jahr 75 Jahre geworden. Zu seinem Geburtstag im Februar war er auf der Berlinale und nachdem im April das Bundesverdienstkreuz bekommen hatte, zog nun seine Wahlheimatstadt München nach. Es ehrte den Medienvisionär Kluge im Rahmes des Filmfestes mit einer Matinee. In seiner Laudatio sprach Oberbürgermeister Christian Ude von dem Intellektuellen Kluge und er gestand, nicht alle Bücher Kluges gelesen und nicht alle seine Filme verstanden zu haben. Trotzdem halte er den Intellektuellen Kluge für unabkömmlich. Auf den Anwalt Kluge jedoch, dessen Name lange Zeit auf dem Briefkopf von Udes Kanzelei zu finden war, könne er durchaus verzichten, denn Kluge tauchte nur zur Weihnachtsfeier in der Kanzelei auf. In seiner Antwort dankte der sichtlich geehrte Kluge dem Münchner Stadtoberhaupt, widersprach aber auch. In kämpferischen Zeiten schade es nicht Jurist zu sein. Auch sei sein Kino kein Kino für Intellektuelle. Mit Logik sei es nicht zu begreifen. In den Ausschnitten aus seinen Filmen und Fernsehprogrammen wird dieses dann bildlich. Kluge spricht Assoziationen an. Er hofft, dass die Bilder auf der Leinwand mit dem über die Menschheitsgeschichte weitergegebenen Bildervorrat des Bewusstsein und Unterbewusstseins des Kinozuschauers interagieren. Sehr schön hatte er in dem Interview mit der Süddeutschen gesagt: "24 Bilder in der Sekunde erwecken den Anschein von Kontinuität, aber in Wirklichkeit ist es eine 48stel Sekunde hell und eine 48stel Sekunde dunkel. Und diese Lücke für die Selbsttätigkeit, die ist das Kino."
Wenn Kluge von seiner Liebe zum Kino spricht, dann spürt man, was man vorher schon wusste: Kluge macht seine Arbeit aus 100%er Überzeugung und dem festen Glauben an die Wunder des Kino. Aus ihm spricht Hoffnung, wenn er sagt, dass die Kinogeschichte angesichts der Umwälzungen des Internets, in dem jeder im Brechtschen Sinne zu einem Empfänger wird, mit all seinen Verheißungen noch einmal von vorne auf uns zukommt. Es ist eine Hoffnung, von der man selber zehren kann. Sie kommt wie ein erfrischendes Gewitter in einem Umfeld, in dem Kino vor allem Geschäft ist.

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