Warten auf Bob: Ein Stummfilm

Ist das Hollywood? Die Aufregung in der American Academy ist jedenfalls immens. Robert De Niro hat sich zum Plausch mit dem Academy-Gründungsmitglied Volker Schlöndorff angesagt. Also strömen die Aufgeregten, denen es noch gelungen eine Einladung zu ergattern. An der Anmeldung habe ich eine gelbes Kärtchen mit Schachbrettmuster erhalten, das mich leider in den Nebenraum mit Leinwand verbannt. Gut, De Niro auf der Leinwand ist ja nichts Schlechtes. Mit im Nebenraum eine ganze Rotte der schreibenden Zunft und etliche Zeitgenossen, die, wie ich messerscharf aus ihren Outfits folgere – schwarzer Anzug mit schwarzem Hemd oder schwarzem Rolli – Filmschaffende oder sonst wie Kreative sein müssen. Und richtig, Sie reden über Filmverleih, „haste die Gedeck gesehen“ und über ihre „neuen Projekte“. Sie sehen super aus, haben sich aber nicht wirklich was zu sagen.

Es ist kurz nach halb zehn. Wir warten. Dann werden die Kameras im Nebenraum eingeschaltet und auf der Leinwand beginnt ein Stummfilm. Die Hauptdarsteller: Ein Podium, zwei Ledersessel, diverse Fotografen und Statisten. Als Hintergrund der Wannsee in Schneelandschaft. Na dann gucken wir mal Film, ist ja schließlich Berlinale. Die Fotografen fotografieren die leeren Sessel und drängeln immer wieder hektisch aneinander vorbei. Einer pult sich mit dem linken Zeigefinger im linken Ohr und steckt den Finger dann nachdenklich in den Mund. Das ist zwar kein großes Kino, aber irgendwie auch spannend. Plötzlich läuft Otto Schily durch’s Bild. Er lacht. Das hat man bei Otto Schily noch nie gesehen. Dann gibt es sogar Ton. Der Direktor der American Academy, Gary Smith, erklärt um zehn vor zehn, dass „Bob“ wegen des Wetters 20 Minuten später kommt.

Der Stummfilm geht weiter. Die Fotografen lümmeln sich jetzt in den Ledersesseln herum. Otto Schily läuft durch’s Bild und lacht immer noch. Auch im Nebenraum gibt es jetzt Getränke und Häppchen. Die Stimmung steigt. Auf einmal kommt Volker Schlöndorff in seiner patentierten Volker-Schlöndorff-Lederjacke herein. Er macht einen verwirrten Eindruck. Da ich in meinem Anzug, mit einem weißen Hemd und Krawatte NICHT aussehe, wie ein Filmschaffender oder Kreativer, fragt er mich „ob ich weiß, wie das hier läuft.“ Das weiß ich natürlich auch nicht so genau. Ich äußere die Vermutung, dass er im großen Hauptraum erwartet wird und zeige auf die Leinwand mit den leeren Sesseln. Das leuchtet ihm ein. Er bedankt sich und verschwindet.
Nach einigen Minuten wird es auf der Leinwand hektisch: Ein Mann mit so einem Knopf im Ohr scheucht die Fotografen von den Sesseln und blickt einige Minuten sorgenvoll und regungslos direkt in die Kamera. Dann auf einmal anschwellendes Gemurmel, erster Beifall und Blitzlichtgewitter. Wir sehen Robert de Niro von hinten. Matt Damon ist auch da. Volker Schlöndorff und De Niro setzen sich. Der Stummfilm ist zu Ende.

Kommentare ( 2 )

Sehr schön du rasender Reporter. Warum haste den Volker nicht gefragt, ob er weiß, wie das läuft, dass du in den anderen Raum kannst?

Dann hätte ich den Stummfilm ja nicht zu Ende
gucken können.

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