Der Anti-Forrest Gump: Die 60er vom Rand her gesehen

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"Four Friends" (1981) von Arthur Penn (Hommage)

Irgendwann war es klar: die Macher des schrecklichen „Forrest Gump" haben diesen wirklich schönen Film von Arthur Penn gesehen und sich gedacht, wie wäre es, wenn wir einen Film machen, in dem eine Figur nicht nur die Aufs und Abs der 60er erlebt, sondern gleich die ganze zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts durchschreitet. Und dann ist der Typ noch ein bisschen dämlich, herzensgut und in allen Momenten der jüngeren amerikanischen Geschichte zugegen. Oh boy....

In Penns Film dagegen erleben wir, wie das Leben zu allen Zeiten für die Allermeisten ist: Man lebt am Rande der Geschichte, nimmt die großen Geschehnisse mehr oder minder wahr, nimmt manchmal sogar ein wenig teil, aber ist die meiste Zeit viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um Geschichte zu machen.....

In Arthur Penns vielschichtigen Rückblick auf die 60er spürt man das die ganze Zeit: Zum einen den Willen ein Zeitportrait zu schaffen, zum anderen, sich der Mythologisierung, Vereinfachung und einem solchen „Wir" zu widersetzen.
Der Film zeigt vier Freunde aus seinem Arbeiter Viertel in Chicago und ihre Jugend in den 60er Jahren. Jeder ein klassischer Vertreter der damaligen Jugend: der Einwanderersohn und spätere Akademiker, der nette jüdische Junge, der später Vaters Beerdigungsinstitut übernimmt, der gutaussehende, einfache Junge, der später nach Vietnam geht (und scheinbar ohne Trauma, dafür mit einer vietnamesischen Frau und zwei Kindern heimkehrt) und die Frau im Quartett, das überdrehte, verträumte, spätere Hippiegirl. Dazu zieht sich durch den Film ein veritabler Vater - Sohn Konflikt, der zugleich auch Generationenkonflikt ist und eine über 25 Jahre dauernde unglückliche Liebesgeschichte zwischen dem „Brain" (dem Akademiker) und dem „Heart" (der rastlosen, impulsiven Träumerin) Amerikas.

Die Hauptfigur Danilo durchlebt den Amerikanischen Traum / Albtraum mehrmals und jagt seine Sinuskurven auf und ab. Als kleiner jugoslawischer Junge mit großen, staunenden Augen kommt er ins Land, sein Vater ist Arbeiter im Stahlwerk, die Mutter Putzfrau. Beide arbeiten hart, der Junge geht auf die Highschool, schreibt Gedichte und macht Musik, dann will gegen den Willen des Vaters aufs College. Er versucht sich zu lösen von seiner Herkunft und heiratet schließlich die Schwester seines Collegefreundes Louis, Tochter eines sehr reichen Stahlwerkbesitzers (Ironie der Geschichte könnte man sagen). Doch die Hochzeit wird zum Fanal - sein Schwiegervater tötet die Braut und sich selbst und Danilo landet halbtot im Krankenhaus. Als er erwacht, sagt sein Vater zu ihm nur: Amerika! So hatte Danilo das Land immer genannt - nicht Vereinigte Staaten, sondern „Amerika" - und damit weniger das Lande selbst, als ein Ideal, ein Traum so vieler Menschen auf der ganzen Welt seit Generationen gemeint. Danilo ist einer von ihnen, der nun die andere Seite dieses Traums kennenlernen musste: Gewalt.

Aus dem Krankenhaus entlassen, fällt er ganz tief: schlechte Jobs, Obdachlosigkeit. Er muss sich neu erfinden, auch das eine uramerikanische Tugend. Seine ewige Liebe Georgia ist inzwischen ein echtes Hippiemädchen, sein Freund Tom in Vientnam. Danilo arbeitet dann wie sein Vater, der in seinem Sohn immer einen verzärtelten Träumer sah, im Stahlwerk und findet ein neues Mädchen. Er hat Haus und Auto. Er ist wieder auf dem American Way unterwegs.

Später fängt er abermals neu an, packt seine Sachen, um Lehrer zu werden, ist endlich bereit den Kampf anzunehmen und kommt noch einmal in seine Heimatstadt. Dort schlägt er sich in einer Kneipe mit dem alten Highschool Rowdy, inzwischen rassistischer Polizist, kotzt ihn dabei von oben bis unten voll und knockt ihn schließlich aus. Schöner kann man den Sponti-Spruch, „Euer Staat kotzt uns an!" nicht inszenieren.

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Am Rand dieser Coming of Age Geschichte, tauchen ganz viele historische Momente auf und verschwinden wieder: die Hippies, die Drogen, die Rassenunruhen, die politischen Utopien, die Mondlandung, Vietnam, Kennedy ermordet, neue Familienideen (Patchworkehen) usw, aber eben nicht wie bei Forrest Gump, der immer mittendrin ist, sondern eher am Rand, im Augenwinkel der Geschichte.

1981, als der Film erschien, war die Erinnerung an dieses bewegte Jahrzehnt natürlich noch viel frischer, als heute, weitere 25 Jahre später. Und doch kann man auch heute noch alles verstehen und deuten. Die Geschehnisse sind nicht wirklich weit weg: Weil die Konflikte damals etwas von einem allgemeingültigen, immer wiederkehrenden Konflikt in sich trugen: Väter gegen Söhne und Töchter, Gruppe gegen Individuum, Beharren gegen Aufbruch, Gewalt gegen Intellekt, Konservative gegen Progressive, Moralapostel gegen Liberale, korrupter Staat und empörte Bürger, Kriegstreiber gegen Friedensfreunde. Seltsam aktuell, nicht nur für die USA.

Arthur Penn, der in den 60er Jahren selbst schon fast 50 Jahre alt war, also ganz und gar nicht Teil der „Love Generation", sondern einer von den Alten, gegen die sie rebellierten, ist es mit „Four Friends" gelungen, das Lebensgefühl der jungen Leute zu zeigen und in all ihrem wirren Suchen und allen Fehleinschätzungen und überdrehten Extremen einen Film zu machen, der über die Geschichte der 60er hinaus geht.
Vielleicht ist es auch seinem Alter geschuldet, dass „Four Friends" kein nostalgischer, verklärter Film über die guten, wilden Zeiten, Sex, Drugs, Rock n' Roll und die heroischen Taten und Aufbrüche geworden ist, sondern das einfühlsame Portrait eines jungen Mannes und seiner Freunde, die in einer Zeit gelebt haben, deren Konflikte und neuen Ideen bis heute nachhallen.

Four Friends, 1981, Regie: Arthur Penn; Darsteller: Craig Wasson, Jodi Thelen, Michael Huddleston, Jim Metzler; Sprache Englisch

Vorstellungen:
Heute, 9.2. um 15 Uhr im Zeughaus
und am 18.2. um 21 Uhr im Cinemaxx 4

Hier ausführliche Besprechungen anderer Filme von Arthur Penn uns seines Schaffens

Kommentare ( 1 )

Hört sich sehr cool an!

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