Bergsteiger der Herzen

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"Blindsight" von Lucy Walker (Panorama)

Eine Gruppe von blinden tibetanischen Kindern besteigt gemeinsam mit einem blinden US-Bergsteiger und ihrer blinden deutschen Betreuerin den Himalaya, die für ihr Projekt einer Blindenschule in Tibet auf der Berlinale mit dem „Mutter –Theresa-Preis“ ausgezeichnet wird – passt noch mehr Gutmenschentum in eine Kurzbeschreibung?
So weit das weit gefehlte Klischee...

Im eindruckvollen Panorama-Special Blindsight stehen außergewöhnliche und mutige Menschen im Mittelpunkt, die Bewunderung verdienen. Die Dokumentation dürfte zum Bewegendsten und Eindrucksvollsten zählen, was die diesjährige Berlinale zu bieten hat. Panorama-Chef Karsten Wieland war von der Doku auf dem Filmfest in Toronto so begeistert, dass er Regisseurin Lucy Walker und die Protagonisten nach Berlin einlud.

Sabriye Tenberken, eine blinde deutsche Lehrerin mit schier grenzenlos wirkendem Mut, will schon früh ihr eigenes, mühsam erarbeitetes Selbstbewusstsein und Können an andere Nichtsehende weitergeben. Aber blind zu sein, meint Tenberken, bedeutet nicht nur nicht sehen zu können, sondern eine ständige Imagination der Umwelt, die ständige Vorstellung der Welt. Für ihre Mission ging sie vor Jahren ausgerechnet nach Tibet, wo Blinde fast wie Aussätzige behandelt werden und ihre Behinderung als Strafe für Sünden in vergangnen Leben empfunden wird. Ganz allein nach Tibet gereist – schon das eine erstaunliche Leistung einer Blinden, sollte man meinen - lernt Terbeken vor Ort Tibetanisch und baut eine Blindenschule auf. Mit ihrer ganzen Überzeugungskraft setzt sie dort durch, dass die vernachlässigten blinden Kinder aus den Dörfern auf die Schule kommen dürfen. Die Kinder finden dort ihre Würde und Eigenständigkeit zurück, lernen Lesen und Schreiben, müssen erst nach und nach verstehen, dass sie keine minderwertigen Menschen sind, wie es ihnen ihre Umwelt vermittelt hat.

Eines Tages hört Terbeken von Eric Weihenmayer, einem blinden US-Bergsteiger, der sich mit seinem Sport und mehreren Mount-Everest-Besteigungen Respekt und einige Berühmtheit erworben hat. Auch Weihenmayer beweist mit seinem Lebenslauf, dass Blinde Erstaunliches schaffen können. Als Fünfzehnjähriger erfuhr er von Wandertraining für blinde Jugendliche: „Wie bescheuert muss man sein, blinde Kinder im Bersteigen zu trainieren?“, habe er damals gedacht, sagt Weihenmayer im Rückblick, „ - und dann habe ich mitgemacht.“

Auf Einladung von Terbeken reist Weihenmayer nach Tibet und besucht die Blindenschule. Er ist begeistert von den fröhlichen Kindern, die nicht nur ihrer Blindheit, sondern auch der gesellschaftlichen Ausgrenzung trotzen. Bald beginnt ein unglaubliches Projekt: Sechs Kinder aus der Blindenschule ohne jegliche Bergerfahrung sollen mit den beiden einen Gipfel nahe des Mount Everest besteigen.

Davon müssen zunächst die Familien der Kinder überzeugt werden. Die Einblicke in diese tibetanischen Dörfer sind ebenso eindrucksvoll wie die folgenden Bilder des Aufstiegs durch die brachiale Eiswelt des Himalaya, seine Klöster und Bergsteiger-Basislager. Beim Aufstieg verschärft sich ein Gegensatz zwischen dem US-Team um Weihenmayer einerseits und Terbeken und ihren Begleiter: Die Amerikaner wollen unbedingt den Gipfel erreichen, ohne Besteigung sehen sie den symbolischen Wert des Projektes gefährdet: Nur wer den Gipfel erreicht, hat es wirklich geschafft. Aber der Aufstieg ist für die kaum trainierten Kinder zu heftig, bald müssen einige der Höhe Tribut zollen. Für Terbeken dagegen ist von Anfang an klar: der Weg ist das Ziel. Das Erlebnis im Team und der Wille der Kinder sind viel wichtiger als der riskante Gipfelsturm und mögliche negative Folgen für ihre Gesundheit.

Den Kindern geht es nur um eins: Es allen zu zeigen, ihre Aufgabe stolz zu bewältigen. Sagenhaft, wie der schüchterne ehemalige Straßenjunge Tashi mit staksigen Schritten den Kampf mit sich selbst und dem gewaltigen Berg aufnimmt. Als die halbe Gruppe früher absteigen muss, fließen bittere Tränen. Zurück im Tal feiern später alle gemeinsam, stolz auf das Erreichte. Die blinden Kinder sind selbstbewusst, können ihr Leben meistern und haben erstaunliche Pläne, die ihnen in Tibet eigentlich nicht zugestanden werden sollten. Es wird nicht einfach, sich Durchzusetzen, aber es besteht kein Zweifel, dass sie es schaffen werdn. Die so eigenwilligen wie eigenständigen Persönlichkeiten aus der Blindenschule sind die Helden dieses Films über die Macht der Menschlichkeit, bei der auch hartgesottene Berlinalisten eine Träne verdrücken können.


Kommentare ( 5 )

Ich wüßte gerne, wo man den Film schauen kann oder ob man ihn bestellen kann? Danke dörte wetzel

hi doerte, danke für deine frage und dein interesse. ich habe den internationalen vertrieb von blindsight angeschrieben und mal sehen was ich herausbekommen kann.

Gruss, Andreas

Ich habe mich bei dem Unternehmen erkundigt, das für den Vertrieb von Blindsight in Deutschland zuständig ist. Leider ist der Starttermin erst für den 17.1.2008 geplant. Aber der Film wird ja dann noch genauso gut sein ;)

Andreas

Da ich gestern Beckman geschaut habeund über sabriye sehr viel Kraft geschöpft habe .
Ich bin selber sehr stark sehbehindert.
Ich werde den Film anschauen.
Wüsche sabriye und ihrem Partner weiterhin viel Glück!

vIELEN dANK

Sabriye Tenberken ist wirklich eine beeindruckende Frau. Obwohl sie selber blind ist, gibt sie anderen blinden Kindern wieder Hoffnung in ihrem Leben. Unfassbar!! Ihre ganze Geschichte kannst du auch hier noch nachlesen:

http://motivationsgeschichten.blog.de/2012/01/23/sabriye-tenberken-erste-blindenschule-tibet-12503229/

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Titel

Orignaltitel

Blindsight

Credits

Regisseur

Lucy Walker

Land

Flagge Vereinigtes KönigreichVereinigtes Königreich

Jahr

2000

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