"Singapore Dreaming" von Yen Yen Woo und Colin Goh

Die Wertungen von Filmen liegen gerade bei Internationalen Festivals weit auseinander. Heute Morgen, als ich bei Croissant und "Café con leche" einen Blick in die Filmkritiken spanischer Zeitungen warf, fragte ich mich wie so oft, ob ich denselben Film gesehen hatte. Es scheint eine Trennungslinie zu geben, nicht nur zwischen nationalen Kulturen, sondern auch zwischen dem "normalen" Kinopublikum und Filmkritikern.

Die Reaktion auf die Tragikomödie "Singapore Dreaming" ist dafür ein gutes Beispiel. Schauplatz des Films ist, unschwer zu erraten, Singapur, Thema sind die Sorgen einer chinesischen Familie.

Der Vater ist hoch verschuldet und paradoxerweise von Beruf Gerichtsvollzieher. Die Mutter hat ihre Jugendträume verdrängt und kümmert sich nur noch um Wan Tan und Kräutertee. Die hochschwangere Tochter arbeitet hart für ihren Lebensunterhalt und tritt mit ihrer Direktheit den anderen allzu oft auf die Füße. Der Sohn muss sich nach seiner Rückkehr aus Amerika den harten Wettbewerbsbedingungen in Singapur stellen.

Jedes dieser Einzelschicksale ist sehr gut beobachtet. Manchmal wundert man sich, wie sehr der globalisierte Kapitalismus auch unsere Sorgen angeglichen hat. Wenn der Mann der Tochter die Jahrgangsfotos seiner Schule durchgeht, um alten Schulfreunden am Telefon Versicherungen aufzuschwatzen, dann fühle ich mich an manche traurige Zusammenkunft erinnert, in der Freundschaft als Hebel zum Verkauf ausgenutzt wurde.

Sicherlich war es die Nähe zum Alltag, die dem Film die Sympathie des "normalen" Kino-Publikums eingebracht hat. Bei der Pressevorführung gestern Abend dagegen, regten sich nur sehr vereinzelt die Kritikerhände zum Abschlussapplaus. Ich muss zugeben, dass die Selbstverständlichkeit, mit der die Geschichte unvermittelt mal eine glückliche mal eine tragische Wendung nimmt, in Europas Kinos selten zu sehen ist. Wie bewertet man aber Filme, die in einer ganz anderen Filmtradtition stehen?

Nachdem ich Café und spanische Zeitung hinter mir gelassen habe und ich an der Strandpromenade entlang zum Kursaal gehe, kommt mir eine andere Frage in den Sinn, die mich schon oft beschäftigt hat: Wenn uns die Alltagserfahrung einem Film näher bringt, wie können wir Filmkritiken von Menschen trauen, die die meiste Zeit in abgedunkelten Räumen zubringen?

Kommentare ( 2 )

Ich glaube, dass Filme uns eher den Alltagserfahrungen ANDERER näher bringen sollen. Und dass man durch Film andere Leben, andere Entscheidungen, Werte, Reaktionen auf Krisen, Gefühle und und und kennenlernen kann. Leider sind Kritiker auch nicht dagegen gefeit, das wohlbekömmliche, mit Tradtionen arbeitende, nicht allzu konventionelle, aber aucht bitte nicht zu avantgardistische zu mögen. Da nehme ich mich selbst ausdrücklich nicht aus. Es wird wohl immer so sein, dass die Kritiker versuchen eine subjektive Reaktion auf einen Film, objektiv in ihrem Text zu verarbeiten. Den wenigsten gelingt es, durch die Seherfahrung und Professionalität einen Film, dessen Thema sie nicht mögen und wo ide Schauspieler nerven trotzdem gut zu besprechen, weil er was zu sagen hat, neue Bilder verwendet oder für andere interessant sein könnte. Kritiker sein heißt zwingend subjektiv sein und ich finde das auch in Ordnung.....

das sollte auch kein plädoyer für eine objektive Filmkritik sein. vielmehr ging es mir um den gegensatz zwischen filmkritiker und kinozuschauer. der eine versucht den film an anderen filmen zu messen und der andere eher an seinen eigenen erfahrungen.

natürlich ist es gut, wenn ein film uns das leben und die werte anderer näher bringt. genau dies leistet singapore dreaming auch. er verdeutlicht die kulturvielfalt und den roughen arbeitsalltag in singapur . aber dies kann ein film eben auch nur dann machen, wenn er an alltagserfahrungen anknüpft, die protagonisten im film und kinozuschauer gemeinsam sind.

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Titel

Orignaltitel

Singapore Dreaming

Deutscher Titel

Mein Man Ren Sheng

Credits

Regisseur

Colin Goh

Yen Yen Woo

Schauspieler

Serene Chen

Alice Lim

Yu-beng Lim

Richard Low

Yann Yann Yeo

Drehbuch

Land

Flagge SingapurSingapur

Dauer

105 min.

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