"Ghosts" von Nick Broomfield

Tesco und Sainsbury waren in meiner Londoner Zeit immer die englische Entsprechung für Aldi und Edeka. Supermärkte können ein Gefühl von zu Hause vermitteln. Wenn man nach einen stressigen Arbeitstag auch noch um 22h dort einkaufen konnte, lösten Konsum-Angebot und Service immer wieder kleine Begeisterungswellen aus. Wie insbesondere die Produkte für Londoner Verhältnisse so billig in das Regal kommt, darüber habe ich mir nur wenig Gedanken gemacht. Englisches Gemüse, Englisches Fleisch...da wird es schon keine Ausbeutung geben.

Aber nicht nur kalifornischer Wein, sondern auch die Ausbeutung wird uns vor die Haustür globalisiert. Nick Broomfields stellt die wahre Tragödie um den Tod von 23 illegalen chinesische Emigranten, die bei der Muschelernte von der Flut überrascht werden, nur scheinbar in den Vordergrund seines neuen Films Ghosts. Die auf einer wahren Begebenheit beruhende Geschichte ist nur der Aufhänger für eine ungeschminkte Darstellung der offiziellen Nichtexistenz von Einwanderern ohne Papiere (daher der Name "Ghosts"), ihrer Odyssee, der Konfrontation mit einheimischen Arbeitern aber auch ihres Nutzen für den westlichen bzw. in diesem Falle britischen Lebensstils. Unverblümt lässt Broomfield von den chinesischen Laiendarstellern, die ihre eigene Geschichte nachspielen, die Supermarktketten nennen, für die sie billig Frühlingszwiebeln rupfen, Enten filetieren oder Fertigsuppen abfüllen. Das wirkt zwar manchmal wie eine etwas zu gewollte politische Aufklärung, wird aber trotzdem den britischen Konsumenten zum Nachdenken bringen. Dieser wird bestimmt bald Gelegenheit haben sich diesen Film anzuschaun, denn Ghosts wurde für den britischen Fernsehsender Channel 4 produziert.

Der Produktionshintergrund ist dem Film anzumerken. Es ist mal wieder ein Film, der von seinem Format auf der großen Leinwand deplatziert wirkt. Zu Recht nennt Nick Broomfield seinen Film auf der Eröfnungsgala ein Experiment. Den Ansatz Menschen ihre eigene Geschichte nachspielen zu lassen (die Hauptdarstellerin Ai Qin Lin hat selbst lange illegal in England gearbeitet) bringt zwar tatsächlich ein wenig Authentizität, verstärkt aber auch noch weiter die dramaturgischen Leerstellen des Films. Wegen seiner filmischen Qualitäten kann "Ghosts" daher als Eröffnungsfilm nicht überzeugen und der Verdacht liegt nahe, dass bei seiner Auswahl die Sympathie für die politische Botschaft den Ausschlag gegeben hat.

Kommentare ( 2 )

Mit Supersize me (mit Abstrichen) Darwin's Nightmare und We feed the world scheint das Thema Essen/Ausbeutung inzwischen fest als Thema im Kino angekommen zu sein. Auch eine DokuFiktion find ich es interessant, nur schade, dass er wohl nicht wirklich überzeugen kann. Bin gespannt auf mehr in diese Richtung.

Stimmt...wenn man das Essen liebt, sollte man nicht zu oft ins Kino gehen ;) Wie gesagt, als Experiment und im Fernsehen lohnt es sich auf jeden Fall den Film anzuschaun.

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Titel

Orignaltitel

Ghosts

Credits

Regisseur

Nick Broomfield

Schauspieler

Ai Qin

Man Qin Wei

Zhe Wei

Zhan Yu

Drehbuch

Produzent

Nozomu Enok

Shiho Sato

Kamera

Mark Wolfe

Land

Flagge Vereinigtes KönigreichVereinigtes Königreich

Dauer

96 min.

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