Ghost Machine - Ein Video-Walk von Janet Cardiff und George Bures Miller

Große Theater bzw. besser: Physical Cinema

... und weil mich die Kino-Müdigkeit gepackt hatte, weil ich sehr gutes darüber gehört und weil ich es meinen Studenten aufgegeben habe, war ich gestern im HAU1 um mir den Video-Walk anzusehen. Die Arbeit gehört darüber hinaus zum Rahmenprogramm der Berlinale und liefert einen großartigen Kommentar zum Berlinale-induzierten Kino-Hype. Cardiff und Miller haben auf der Biennale in Venedig 03 mit einer ähnlichen Arbeit einen Preis abgeräumt und für die Berlinale nun eine ganz neue Arbeit konzipiert.

Das HAU 1 steht dazu fast den ganzen Tag offen. Wer die 6 Euro (also Kinopreis) ausgibt, bekommt eine kleine Digitalvideokamera in die Hand und einen Kopfhörer dazu aufgesetzt. Alleine wird man dieses Theater/Kino-Erlebnis durchwandern müssen. Dann geht der Film los, der mit der Videokamera als Guide und Kinoleinwand, durch die abgelegensten Räume des HAU1 führt.

Das Prinzip ist einfach, eine Stimme (entweder Cardiff selbst oder auf deutsch Sophie Rois) erzählen eine Geschichte, wie sie auf der Kamera gespeichert ist, und geben dazu Handlungsanweisungen ("steht jetzt auf und geh dir Treppe nach oben. Nicht so schnell. Stop"). Die Geschichte gerät dabei allerdings schnell in den Hintergrund, zu spannend ist das Spiel der Wahrnehmungsebenen: denn das, was auf dem Display zu sehen ist, stimmt oft nicht zu ganz mit dem überein, was man sieht, wodurch man läuft.
Den schon abgedrehten Film nachlaufend und nachdrehend, bewegt man sich dabei durchs HAU. Dazu gibt es eine faszinierende und überraschende eindrucksvolle Soundlandschaft über die Kopfhörer. Waren das meine Schritte oder die eines anderen? Man vertraut der führenden Stimme, wohin sie auch führt: ob Künstlergarderobe, Bühne oder Foyer. Immer gerät dabei die eigene Wahrnehmung aus ihrer Sicherheit: hab ich das jetzt selbst gesehen, oder war es in der Kamera? Hat da jemand geflüstert? Ist das mein Atem?

Zusätzlich kommt noch eine Erzählebene hinzu, da in den einzelnen Räume jeweils besondere Geschichten erzählt werden, so dass zu Wahrnehmungsraum, gefilmten Raum noch der Erzählungsraum hinzukommt. Alle drei durchdrigen sich gegenseitig auf eine spielerische, leichte Weise, schaffen immer wieder überraschende Momente von Intensität und hinterfragen dabei konstant die Wahrnehmung. Und ganz nebenbei kann man damit endlich mal etwas tun, was man im Kino eigentlich schon immer tun wollte: aufstehen und mitspielen. Sich körperlich in den Film, in das Geschehen integrieren, dabei sein, statt nur zuschauen.

Zum Hau kommt man vom Potsdamer Platz übrigens, wenn man einfach die Stresemannstr. runtergeht. Den Video-Walk gibt es noch bis Sonntag, Einlasszeiten sind 16-23 Uhr und man sollte vorher vielleicht eine Karte reservieren (telefonisch oder über die homepage) um Wartezeiten zu vermeiden.

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