Zwei 17-jährige Mädchen, eine Französin und eine Deutsche, begegnen sich über einen von ihren Eltern organisierten Schülerinnenaustausch in Leipzig. Während die Deutsche Lena selbstbewusst, verantwortungsvoll und politisch engagiert ist, wird die schüchterne Fanny zuhause in ihrer Klasse gemobbt und flüchtet sich in ihre eigene Welt. Zunächst ist Lena sehr abweisend, aber als Fanny nach und nach scheinbar dramatische Details aus ihrem Leben preisgibt, wächst eine immer stärker werdende Nähe zwischen den beiden jungen Frauen – und eine Neugierde, sich gegenseitig auch jenseits der Sprachaustauschs zu erkunden. Die renommierte Regisseurin Claire Burger hat in LANGUE ÉTRANGÈRE eigentlich alle Zutaten zu einem richtig guten, interessanten, ungewöhnlichen Film. Aber.
Leider wirkt der Film über weite Strecken hinweg wie sehr, sehr hölzernes Lehrstück in Sachen Coming of Age, Coming Out, die Jugend und die Sehnsucht nach dem Radikalen, die Jugend und psychische Krisen, die Jugend und das Aufbegehren gegen die eigene Familie, die Jugend und der Weltschmerz. Die vielen starken Gefühle schweben etwas hilflos auf der Leinwand herum und ergeben kein stimmiges Ganzes, da hilft auch die dritte Sexszene mit Close-up nicht.
Das ist schade, denn der Kern der Geschichte - das gegenseitige, langsame Herantasten dieser unterschiedlichen beiden Mädchen aneinander - ist sehr gut gelungen und wirkt stimmig. Auch wegen der großartigen Leistung der beiden Hauptdarstellerinnen Lilith Grasmug (Fanny) und die Newcomerin Josefa Heinsius (Lena). Aber die Verknüpfung dieses Kerns mit dem betont großen Drumherum funktioniert aus meiner Sicht leider nicht.
Obwohl Burger ein sehr gutes Ensemble für den Film gewinnen konnte, darunter Chiara Mastroianni und Nina Hoss in den jeweiligen Mutterrollen, und wenngleich die Hauptdarstellerinnen, wie gesagt, ihre Sache wirklich sehr gut machen, knirscht es in der Inszenierung. Einige der dramatischsten Momente wirken wie aus einem mittelguten Fernsehfilm, diverse Entwicklungen des Plots sind aus den Figuren heraus nicht nachvollziehbar. Manche Szenen – die Party und die Drogen, der große Streit beim Familienessen, das Mobbingopfer in der Klasse – sind wie aus dem Lehrbuch erschütternd erwartbar umgesetzt.
Schade, dass die Regissseurin offenbar zu sehr darauf fokussiert war, thematische Checkboxen abzuhaken, anstatt der Geschichte mehr Raum zu geben, sich – vielleicht mit kleinerem Gestus – frei zu entfalten.
Worum geht's?
Zwei junge Frauen, eine aus Deutschland, eine aus Frankreich, nähern sich an und erkunden verschiedenste persönliche und politische Territorien.Für Fans von
Filmen, die einem die Jugend erklären wollen.
Lieblingsmoment
Wie ein zart sich anbahnender deutsch-französischer Dreier im Elsass ausgerechnet von einem Deutschen Schäferhund gesprengt wird.
Kommentare ( 2 )
Für mich war LANGUE ÉTRANGÈRE bisher auf der Berlinale neben Haders ANDREA LÄSST SICH SCHEIDEN, der einzige Film, den ich durchgängig gelungen fand. Für mich knirscht da nichts weder im Erzählstil noch im Plot. Zwei sehr gute Hauptdarstellerinnen, Josefa Heinsius sogar noch einen Tick interessanter.
Ich fand auch, dass die Geschichte der beiden Jugendlichen klar im Fokus stand. Die Figur der Lena hat dabei noch das zusätzliche Problem, dass sie für ihre weinselige Mutter die Mutterrolle übernehmen will. Das war auch so dargestellt, dass es nicht zu dick aufgetragen war.
Alles was mit Politik zu tun hat, ist aus Idealismus geboren und diffus, das gibt Lena sogar einmal selbst zu. Das war für mich gut erzählt. Wie soll es mit 17 auch anders sein? Klar Partyszenen, Streit mit den Eltern, Gefühlsachterbahn sind keine Überraschungen in einem Coming-of-Age-Film, aber gerade deswegen war der Film gelungen. Am Ende ist ganz wenig passiert: Zwei junge Frauen haben sich ineinander verliebt und die eine hat gemerkt, dass jemand sie mag, ohne dass sie dafür Geschichten erfinden muss. Das war's und das reicht mir. Filme die zu viel wollen und sich verkünsteln, haben wir auf der Berlinale genug. (Entschuldigung, ich bin Glasner geschädigt.) Ich hoffe LANGUE ÉTRANGÈRE, gewinnt was. Würde mich freuen.
Posted by Steffen | 19.02.24 23:18
Im Nachklapp (mit dem Abstand einer ausgeschlafenen Nacht, in der Filme immer nochmal nachwirken) muss ich auch sagen, dass der Kern der Geschichte, das gegenseitige Herantasten der beiden Mädchen, gut gelungen war und auch nachhaltig überzeugend wirkt.
Trotzdem bleibt mein Eindruck, dass das Drumherum aufgesetzt und zum Teil sehr ungelenk wirkt und - zumindest für mich - nicht stimmig mit dem Kern der Erzählung funktioniert.
Posted by tiz | 20.02.24 09:22