Berlinale 2024: PEPE von Nelson Carlos De Los Santos Arias

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© Monte & Culebra

Unhappy Hippo

Ein Nilpferd namens Pepe erinnert sich, wie seine Vorfahren aus ihrer Heimat in Namibia auf die Hazienda von Pablo Escobar gebracht wurden. Es spricht Afrikaans, Mbukushu und kann „AEIOU“ sagen und grunzen. Es ist ein sehr philosophisches Nilpferd und sinniert über sein Leben und das seiner Familie nach und darüber, warum es überhaupt sprechen kann. Spoiler: Ganz am Anfang und am Ende nochmal wird es erschossen, redet aber trotzdem weiter.

Der dominikanische Experimentalfilmer Nelson Carlos De Los Santos Arias imaginiert in PEPE die Stimme eines Wesens, das eigentlich keine für uns verständliche Sprache hat, um Assoziationsräume zu öffnen: zum Black Atlantic etwa, oder über den ewigen, blutigen Kampf um Macht. Wir sind aus unterschiedlichen Perspektiven Zuschauer der Geschichte dieser afrikanisch-amerikanischen Nilpferde: Bei der Überquerung des Meeres etwa schauen wir von oben auf das schwankende Schiff und kämpfen selbst mit dem leichten Schwindel und der aufkommenden Übelkeit, die das auslöst.

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© Monte & Culebra

Zwischendurch gibt es schöne Landschaftsaufnahmen aus Namibia und eindrucksvolle Close-ups der Tiere in Kolumbien, schrille Töne und White Screens und Geflimmer sowie diverse Spielszenen: zum Beispiel mit Touristen auf Safari, mit Arbeitern auf Escobars Hazienda, die sich über die Gefährlichkeit der Flusspferde unterhalten, mit zwei jungen Kiffern, die die ersten Nilpferde in einem klapprigen Transporter auf Escobars Anwesen ausliefern, mit einem Fischer (und seiner Frau), dem Pepe zwischendurch mal ins Netz geht, und auch eine Messe für einen blutjung getöteten Drogenkurier.

Alle diese Dinge ergänzen die Geschichte rund um PEPE, das Nilpferd, und schaffen Bezüge zu größeren, über das Nilpferd als solches hinausweisende Themen.

Bei den Hippos, so lernen wir, gibt es Alphamännchen und friedlichere Tiere - Pablitos und Pepes. Nilpferde sind extrem territoriale Tiere, die Rangkämpfe werden oft bis zum Tod ausgetragen. Ältere Hippo-Männchen tragen die Narben ihres Aufstiegs im Ranggefüge ein Leben nach mit sich.

PEPE ist ein Experimentalfilm, auf den man sich einlassen muss. Er mischt die Genres und wäre eigentlich eher im Forum erwartbar. Den Wettbewerb ergänzt er wohltuend um eine außergewöhnliche cineastische Form und spannende Geschichte.Eine Herausforderung freilich, und sicher nicht unanstrengend, aber lohnenswert!

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© Monte & Culebra

Dabei hilft es durchaus, vorab etwas mehr über den Hintergrund zu wissen: Der kolumbianische Drogenboss Pablo Escobar ließ für seinen Privatzoo in den 1980er Jahren vier Flusspferde aus Afrika liefern. Als Escobar 1993 durch Sicherheitskräfte erschossen wurde, wurden die Tiere sich selbst überlassen. Sie vermehrten sich exorbitant. Im Jahr 2022 erklärten die kolumbianischen Behörden die inzwischen etwa 160 Hippos, die in der Nähe von Bogotá am Magdalena-Fluss frei herumlaufen, zur invasiven Art. Diskussionen über die Gefährlichkeit der Tiere und ihren Einfluss auf das Ökosystem wurden laut. Ein Sterilisierungsprogramm wurde gestartet. Auch die Tötung der Tiere wurde in Betracht gezogen. Tierschützer fordern, ein Schutzgebiet für die Tiere einzurichten. Das wird bislang abgelehnt.

Als im Jahr 2009 ein streunendes Nilpferd namens Pepe – darauf bezieht sich der Film - auf Anweisung des kolumbianischen Umweltministeriums erschossen wurde, und obendrein Soldaten mit dem erlegten Tier posierten, empörten sich viele tierliebende Kolumbianer. Inzwischen werden Gespräche mit mehreren Ländern wie Mexiko und Indien geführt, um die Nilpferde dorthin umzusiedeln.

Nelson Carlos de Los Santos Arias nimmt am Berliner Künstlerprogramm des DAAD teil.

Worum geht's?

Eine künstlerische Meditation und Reflektion eines Nilpferds über die Dinge des Lebens.

Für Fans von...

...Frühwerken von David Lynch, Flusspferden und Tierdokus allgemein.

Mein Lieblingsmoment

Alpha-Männchen Pablito mit dem krummen Zahn sperrt das Maul weeeeeeit auf.

Besonders gut gefallen hat mir...

…dass der Film höchst anstrengend und zugleich zutiefst entspannend sein kann.

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Titel

Orignaltitel

Pepe

Credits

Regisseur

Nelson Carlos De Los Santos Arias

Land

Flagge DeutschlandDeutschland

Flagge Dominikanische RepublikDominikanische Republik

Flagge FrankreichFrankreich

Flagge NamibiaNamibia

Jahr

2024

Dauer

122 min.

Film-Emoji

😅

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