Interview zu DUST von Udita Bhargava (Berlinale 2019)

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Interview mit der Regisseurin Udita Bhargava

Wie kann man ein so komplexes Land wie Indien verstehen? Wie kann man zumindest anfangen, es zu verstehen? Vor dieser Frage steht David, der Protagonist aus Udita Bhargavas Film DUST ebenso wie die Regisseurin selbst. DUST ist der Abschlussfilm von Udita Bhargava an der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF. Er läuft in der Perspektive Deutsches Kino. Festivalblog hat mit der 1982 in Indien geborenen Regisseurin gesprochen.

Festivalblog: Was hat Sie dazu bewogen, die Zeitebenen in den Erzählsträngen zu vermischen? Welche künstlerische Aussage steht für Sie hinter diesem Stilmittel?

Udita Bhargava: Ich hatte eigentlich die Intention, einen Film zu machen, der eine Art Zeitportrait meiner Heimat schafft. Aber je mehr ich dieser Idee nachging, desto klarer wurde es, dass Zukunft und Vergangenheit von der Gegenwart nicht getrennt werden können. Also wurde es mein Ziel, den Geist und das Bewusstsein meiner Zeit einzufangen und nicht nur die Gegenwart darzustellen.

Festivalblog: Für mich war auffallend, dass Sie die politische und soziale Situation in Zentralindien nicht erklären oder kommentieren, sondern durch starke Impressionen darstellen. Erwarten Sie von ihren Zuschauern, dass sie sich selbst über die die komplexe Situation kundig machen? Wollen Sie das vielleicht sogar mit dem Film auch erreichen?

Udita Bhargava: Ja, die Situation ist wesentlich komplexer, als der Film zeigen kann. Also zeige ich Bruchstücke davon – die Erfahrungen meiner Charaktere sind diese Bruchstücke. Hinterlassen die Charaktere einen prägenden Eindruck, werden sich die Zuschauer mit meiner Welt vertraut machen. Mein Film soll Interesse wecken und darauf sollte der Rest folgen, unsere Welt ist so verbunden.

Festivalblog: Mir erschien die Figur des deutschen Ex-Freundes als eine Art „Brücke“ in ein für die europäischen Zuschauer größtenteils fremdes Land angelegt. Welche Funktion hatte diese Figur für Sie, als Sie den Film konzipiert haben?

Udita Bhargava: Davids Rolle ist nicht als "Brücke nach Europa" konzipiert. Er ist Teil der Realität, in der "fremd sein" als emotionaler Zustand verstanden werden kann. Ich habe mich entschieden, die Geschichte aus seiner Perspektive zu erzählen, da er für mich zunächst auch fremd war und ich durch seinen Blick schauen wollte.

Festivalblog: Die Zeitebenen in Ihrem Film scheinen mit Bedacht kunstvoll ineinander verschoben zu sein. Mumtaz Foto des kleinen Jungen etwa zeigt ihn ja so, wie ihn auch der Ex-Freund ganz zum Ende des Films, Wochen oder gar Monate später, sieht: geschoren und mit verprügeltem Gesicht. Was streng genommen gar nicht möglich ist.

Udita Bhargava: Ja, die Zeitebenen sind miteinander verwoben: An dieser Stelle, wo David auf den Jungen trifft, verbinden sich die Welten. Es sieht ihn mit den Augen seiner verstorbenen Freundin Mumtaz.

Festivalblog: Vielen Dank für das Gespräch!


Das Interview führte Tiziana Zugaro.
Filmkritik folgt.

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