STORKOW KALIFORNIA von Kolja Malik (Berlinale 2018)

Pandabär flieht vor Mutti

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Das Storkow in Kolja Maliks STORKOW KALIFORNIA bedient alles andere als das erwartbare Bild von Brandenburg. Vielmehr scheint man in diesem Beitrag zur „Perspektive Deutsches Kino“ Hals über Kopf in einem Andy Warhol Film aus den wilden 1970er Jahren gelandet zu sein: Harte Drogen, gieriger Sex, grellbunte Lichter und eine recht vernebelte Sicht auf das Leben finden hier zu einem Roadmovie der besonderen Art zusammen. Ein junger Mann, optisch eine Art Kreuzung aus Kurt Cobain und Pandabär (Augenringe), verbringt seine berauschten Nächte in trostlosen Raststätten-Kneipen bei Storkow, wünscht sich aber verständlicherweise nach Kalifornien. Im Schlepptau hat er eine verlebte ältere Frau, in der man zunächst seine Geliebte vermutet. Aber es ist seine Mutti.

Pandabär entflieht Mutti schließlich mittels einer seltsamen amour fou zu einer Polizistin. Traum? Wirklichkeit? Egal, hauptsache bedutsam schnoddrig klingende Dialoge und - siehe oben - bunte Lichter und Wackeloptik. Doch rauschhafte Bilder allein machen noch keinen guten Film aus. Was bei Andy Warhol vor 40 Jahren funktionierte, lässt sich nicht ohne Weiteres auf Brandenburg übertragen. Storkow ist nicht die Factory und der Versuch, sich diese Art von gewachsener Coolness auszuleihen, wirkt hier leider sehr provinziell.


Foto: © Filmakademie Baden-Württemberg / Jieun Yi

Kommentare ( 1 )

Ich habe den Film gerade in Cannes gesehen und bin etwas überrascht von der Kritik. Liebe Frau Zugaro, waren wir wirklich im gleichen Film?
Grellbunte Lichter, Wackeloptik? Und was hat das Ganze mit Andy Warhol zu tun? Meiner Meinung nach hat der junge Filmemacher Malik den Vergleich mit dem sexistischen, menschenverachtenden und ausbeuterischen Egomanen Warhol wirklich nicht verdient. Für mich war Maliks Film alles andere als Nachmache. Eigentlich ganz schön originell das Ganze. Und vor allem: gut geschrieben, gut inszeniert, gut gefilmt. Das ist ja im deutschen Film schon eher eine Seltenheit. Wenn die Sexszenen eben mal nicht gierig und peinlich sind (im Gegenteil! Nur ein einziges Mal wird ein bisschen rumgeknutscht), sondern emotionale Abhängigkeiten und Figurengeflechte durch nuanciertes Schauspiel und pointierte Dialoge zum Ausdruck gebracht werden, sollte man dem Regisseur und dem ganzen Team dafür Respekt zollen, anstatt einzelne Darsteller wegen ihres Aussehens zu verspotten. Das ist nicht nur kindisch, sondern auch verletzend und unprofessionell.
Die Wackeloptik nennt man übrigens auch Handkamera und die Kamerafrau Jieun Yi beherrscht sie meines Erachtens meisterlich. Bisweilen entsteht da eine fast organische Symbiose zwischen Kamerabewegung und Schauspiel. Und abgesehen davon wackelt sie beachtlich wenig für eine Handkamera. Bunte Lichter sind mir persönlich auch lieber als weiße Wände, aber das ist Geschmackssache. Wer Dollyfahrten und das Szenenbild vom Tatort lieber mag, den stören farbige Bilder vielleicht.
Falls sich manch eine_r immer noch fragt, worum es eigentlich geht in STORKOW KALIFORNIA: Es geht um das ungesunde Verhältnis zwischen einer Mutter und ihrem Sohn. Um die verzwickte Dynamik, die Familienbande entwickeln können. Um die Verzweiflung, wenn man merkt, dass man da nicht mehr raus kommt. Und um einen, der auf radikale Weise daraus ausbricht. Die Mutter klammert und macht ihrem Sohn das Leben zur Hölle. Gleichzeitig ist sie der bemitleidenswerteste Mensch auf dem Planeten. Weil sich unser eigenes jämmerliches Selbst in ihr spiegelt. Man kann das provinziell nennen. Es spielt ja auch in der Provinz. Ich nenne es großes, wahrhaftiges Kino und Kritik an Wahrhaftigkeit finde ich auch ein bisschen provinziell.
Schade, dass in Deutschland so leichtfertig über junge Talente hinweg gefegt wird, als wären sie Modeerscheinungen. Da wühlt man lieber in der Mottenkiste der Filmgeschichte und wedelt mit den verstaubten Gebeinen von alten, toten Männern, deren Filme schlecht geschrieben und schlecht inszeniert sind, und alles in allem völlig irrelevant waren und blieben.
Deshalb ein Vorschlag zum Schluss. Wenn sie asiatische Großbären gerne mögen, liebe Frau Zugaro. Im Berliner Zoo gibt es welche. Die sind total süß. Über deren Aussehen (Augenringe) kann man bestimmt auch tolle Artikel schreiben.

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