Herzerfrischend!
Wie so oft, war auch der Berlinale-Wettbewerb im Jahr 2008 von Tod und Trauer und Grausamkeiten geprägt. Mitten hinein in dieses Tränenmeer platzte dann Mike Leighs lebensbejahender Film HAPPY GO LUCKY. Leigh hatte ganz entgegen seiner Gewohnheit diesmal kein deprimierendes Sozialdrama auf die Leinwand gebracht, sondern ein beschwingtes Porträt einer wunderbar verrückten Frau, die mit einer schier unbegrenzten Lebensfreude durch London hüpft.
Poppy heißt das verrückte Huhn, und sie widerlegt alle negativen Klischees über Grundschullehrerinnen, angefangen bei ihren gewagten lila Spitzenstrumpfhosen und wild gemusterten Stiefeln, über die bezaubernde Art, ihren humorlosen Fahrlehrer in die Verzweiflung zu treiben, bis hin zu ihren kabarettreifen Bemühungen, die stolze Würde des Flamenco-Tanzes zu erlernen.
Dabei ist es ganz und gar keine rosarote Traumwelt, die uns HAPPY GO LUCKY vor Augen führt: In Poppys Welt gibt es prügelnde Stiefväter, einsame Rassisten und sprachgestörte Obdachlose – aber die junge Frau nimmt die Welt so, wie sie ist, und macht das Beste daraus, vielmehr, sie versucht, die Welt ein kleines bisschen besser zu machen. Dass das Ganze nicht kitschig wirkt, hat eine ganze Menge mit dem galligen britischen Working-Class-Humor zu tun, auf dessen Klaviatur Poppy und ihre Freundinnen mit Leichtigkeit spielen.
Auch Poppy passieren Widrigkeiten im Leben. Aber bezeichnend ist, wie sie damit umgeht. Da wird zum Beispiel ihr Fahrrad geklaut, und nachdem sie spontan bedauert, dass sie keine Gelegenheit hatte, sich von ihrem Drahtesel zu verabschieden, beschließt sie ganz pragmatisch, Fahrstunden zu nehmen. Hier kommt Fahrlehrer Scott ins Spiel. Der hat so gar keinen Nerv für Poppys Witzchen hinterm Steuer, stattdessen drängt er bei jeder Gelegenheit auf die eiserne Regel der heiligen Dreieinigkeit von „Rückspiegel, Blinker, Manöver“. Immer deutlicher wird, dass Scott ein paar gewaltige Probleme hat – da sind seine rassistischen Ausfälle fast noch das Harmloseste. Bis zu einem gewissen Punkt nimmt sich Poppy dieser verlorenen Seele an, aber dann weiß sie zum Glück auch, wo sie den Schlussstrich ziehen muss.
Die schönste Szene im Film spielt in einem Flamenco-Studio; hier leiden wir mit der temperamentvollen Lehrerin mit, die einem Haufen blasser Engländerinnen Leidenschaft und Feuer beibringen muss. Ihr umwerfender verbaler Amoklauf – eine Mischung aus Wutanfall, kulturellem Clash und Liebesleid – hat denn auch zu Recht den ersten Szenenapplaus des Festivals provoziert.