„Factory“, "Harold Stevenson #1 and #2“ und „Trips and Parties“ von Danny Williams (Forum)
Danny Williams, Harvard Student und Filmemacher, gehörte für kurze Zeit – von 1965 bis 1966 – zu Andy Warhols Künstlerclique in der legendären Factory. Zeitweise war er Warhols Lover und lebte – mit dessen Mutter zusammen – in der gemeinsamen Wohnung. Er arrangierte die Lichtshow für Velvet Underground Konzerte und drehte experimentelle Kurzfilme. Irgendwann verlor der junge Mann die Gunst Warhols, kehrte in sein Elternhaus zurück, borgte sich noch am selben Abend das Auto seiner Mutter und ist seitdem verschwunden. Das Forum zeigt in diesem Jahr drei seiner stummen schwarzweiss Kurzfilme als Weltpremiere: Factory, Harold Stevenson #1 and #2 und Trips and Parties. Williams Werke bestechen durch ihren außergewöhnlichen Sinn für Rhythmus, eine Beleuchtungstechnik, die die Figuren geradezu leuchten lässt, und einer Kombination aus traumhafter Schönheit und feinem Witz.
Factory ist eine Montage von Szenen, die in Warhols kreativem Zentrum gedreht wurden. Zu sehen ist unter anderem: Brigid Berlin telefoniert, Genevieve Charbin misshandelt eine Schreibmaschine, Warhol steht er in der Gegend rum und andere Personen wie Chuck Wein, Edie Sedgwick, Ondine oder Gerard Malanga tun dies und jenes. Wunderschön sind diese Bilder vor allem durch Williams Belichtungstechnik: Warhols weißblonde Haare leuchten wie eine Gloriole um seinen Kopf, Edie Sedgwicks helle Haut scheint von innen heraus zu strahlen. Williams spielt mit dem Tempo der Bilder – mal wirken sie, in Stummfilmtempo aufgenommen, geradezu überdreht, dann wieder bewegen sich die Personen wie Schlafwandler durchs Bild. Mit abrupten Zooms werden die Raumperspektive und der Rhythmus der Bilder synchron orchestriert. Meist wirken die Bilder wie verstohlene Beobachtungen, man meint, kleine private Momente der Factory-Bewohner erhaschen zu dürfen.
Trips and Parties hält was er verspricht: Filmische Schnappschüsse auf eleganten Parties, bei denen sich den Soundtrack von klirrenden Gläsern, Lachen, Gesprächsfetzen und Musik ganz automatisch im Kopf einstellt. Doch Williams begnügt sich nicht damit, die Partygäste einfach abzufilmen. Wenn Edie Sedgwick mit einem jungen Mann zusammen auf dem Sofa herumlümmelt, dann nimmt Williams der Hände der Gesprächspartner ins Visier. Und die sprechen ihre ganz eigene Sprache: Die selbstbewussten herrischen Handbewegungen des Mannes, und die zögerlichen, abwartenden Bewegungen von Edie – bis sie dann ins Argumentieren kommt und dies mit den entsprechenden feinen Gesten untermalt. Hände flattern wie Vögel durchs Bild, Gesichter leuchten, zwei Beine in glitzernden Nylonstrumpfhosen erzählen ihre eigene kleine Geschichte. Man kann sich kaum satt sehen an diesen Bildern. Die Trips bestehen dagegen vor allem aus Dunkelheit, aus denen sich entgegenkommende Scheinwerfer wie seltsame Sterne im Weltall abheben.
Harold Stevenson wird bei einer kleinen improvisierten Bühnenshow gefilmt. Er singt offensichtlich ein Lied, dann fällt er einem anderen Mann immer wieder um den Hals – und dieses strahlende Gesicht mit den feinen, aber scharf gezeichneten Zügen zieht einen in seinen Bann. Auf eine bestimmte Art sind Williams Bilder geradezu hypnotisch. Sie transportieren Stimmungen ganz ohne dahinter liegende Geschichten. Sie haben eine Melodie, auch wenn kein Ton zu hören ist.
Die drei Filme werden auf der diesjährigen Berlinale als Weltpremiere gezeigt, sie lagern eigentlich bei der Andy Warhol im Museum of Modern Art in New York und werden ganz sicher kein großes Publikum finden. Und so kann man sich über diese einmalige Gelegenheit glücklich schätzen. Eine Einschätzung, die übrigens nicht alle im Publikum teilten: Immer wieder war während der einen Stunde der Vorführung hastiges Fußgetrappel zu hören, gehören vom Öffnen der Kinotür. Offensichtlich hatten sich nicht alle im Saal vorher darüber schlau gemacht, auf was sie sich einlassen. Nämlich, ihre Sehgewohnheiten herauszufordern. Eine sehenswerte Dokumentation über Danny Williams, „A Walk into the Sea – Danny Williams and the Warhol Factory“ von Williams Nichte Esther B. Robinson, läuft ebenfalls auf der Berlinale.