"Julia" von Erick Zonca

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Einmal abwärts bitte!

Grandios die ersten 20 Minuten! Tilda Swinton spielt eine extreme, harte, egozentrische laute, exzessiv trinkende, rauchende, sehr körperliche Frau. Sie zeigt sich und damit diese Figur Julia so hemmungslos und kaputt, dass man beginnt sich „fremdzuschämen“ für Julia, sie aber auch bewundert für ihre Sprüche und ihren Eigensinn ihre Art sich zu nehmen was sie will. Julia ist irgendwie Mittelklasse Großstadt, aber ein wenig vulgär mit Stil. Ihr Problem: Sie trinkt. Sie trinkt richtig. Die Szenen haben mich umgehauen: wenn sie auf irgendeinem Sofa, in irgendeinem Auto, mit irgendeinem Typen morgens erwacht. Den Mund trocken und

mit diesem Geschmack eines toten Iltis auf der Zunge (kennen wir alle) in einem verschwitzen Coctailkleid, das im Hellen betrachtet nicht in diese Welt gehört, in ihren alten BMW steigt, der auch nicht in diese Welt gehört und die Achsel auf Schweißgeruch prüfend nach Hause fährt, stöhnend vom Kater - das ist fantastisch und erschreckend zugleich. Sie hat keine Freunde, eher alte Kumpel, die ihr beistehen, alles Männer. Sie lässt sich nichts sagen, von niemandem, sie hat keinen Partner, keine Kinder und nun auch keinen Job.

Aber eine kleine Irre aus den Anonymen Alkoholiker Treffen (in denen Julia die einzige bei Verstand scheint, wenn man diese Leute händchenhaltend und betend sieht - ich hab das nie kapiert), erzählt Julia, sie plane ihr Kind zu entführen, das beim millionenschweren Großvater lebt. Julia würde einige zehntausend Dollar bekommen, wenn sie ihr hilft, sagt sie.

Klar was passiert: entgegen ihrem Instinkt, dass diese Frau spinnt, aber weil sie das Geld braucht und glaubt, das sei ihr großer Lottogwinn, auf den alle hoffen, die sonst nichts mehr zu hoffen haben, steigt Julia ein. Bald allein mit einem Jungen auf der Flucht, ist selbst die Enführerin, tötet und endet irgendwann nach einigen Drehs und Wendungen in Mexiko. Da geht es dann munter weiter mit dem Hin und Her.

Was in den ersten 20 Minuten eine beeindruckende Charakterstudie war, wird zu einer Art Thriller aber zerfasert in eine viel zu langes (138 Minuten, 90 hätten gereicht!) Geschacher von Kind und Lösegeld und Muttergefühlen und Geldgier und und und. Ein bischen "Jackie Brown" ohne den Style, ein bischen mißglückte Enführung a la "Fargo" aber ohne den Humor. Und nach der Hälfte (also mehr als einer Stunde) weiß man auch wie es enden wird: Nicht gut und ohne die zwei Millionen und mit einer kleinen Lehrstunde für Julia - aber so richtig interessierte mich das dann auch nicht mehr. Trotz Swinton, die bis zu letzt toll ist, nur dass sich ihre Figur nach etwa 60 Minuten erschöpft hat wie die Geschichte.

Kommentare ( 1 )

Sicherlich befindet man sich in der ersten halben Stunde im Psychogramm einer problembelasteten Frau .Umso überraschender ,daß der Film dann Fahrt aufnimmt und auch das Genre zum Thriller wechselt.Als nach 2 Stunden plötzlich noch die Handlung nochmals unerwartete Wendungen nimmt und ein Gehirn an die Wand spritzt gehen dem Drehbuchschreiber wohl die Pferde durch.Daß ist so überraschend , das ich den Film nicht zu lang fand.Absolut sensationell : die schauspielerische Leistung des entführten Jungen und wie dessen Gefühle inszeniert werden!!!!!

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Titel

Orignaltitel

Julia

Credits

Regisseur

Erick Zonca

Schauspieler

Kate del Castillo

Aidan Gould

Saul Rubinek

Tilda Swinton

Land

Flagge FrankreichFrankreich

Jahr

2007

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