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Juli 2015

LUIS TRENKER - DER SCHMALE GRAT DER WAHRHEIT von Wolfgang Murnberger

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Luis Trenker ist alt geworden, sehr alt, 97. Sogar ich habe noch Kindheitserinnerung an ihn. Er hatte späte Auftritte in der NDR TALKSHOW oder bei AUF LOS GEHT'S LOS. Ich fand ihn fad. Ich habe ihn ich nicht verstanden (sein Süd-Tiroler Slang) und mit dem ganzen "Berg-Ding" konnte ich als Norddeutscher auch nichts anfangen.

Aber, ohne Zweifel, er war eine interessante Figur, nicht nur als Mensch. Sein Leben und Werk stehen für den Künstler als gesellschaftlichen Mitläufer. Wolfgang Murnberger hat sich des Trenker-Stoffs angenommen, an dem man auch viel hätte falsch machen können. Doch er hat in Tobias Moretti die ideale Besetzung gefunden. Nicht zuletzt Morettis Spiel macht LUIS TRENKER - DER SCHMALE GRAT DER WAHRHEIT zu einer glaubwürdigen und unterhaltsamen Charakterstudie. Er "ist" die Filmfigur von der ersten bis zur letzten Minute. Moretti bzw. Trenker bestimmen den Rhythmus. Trenkers leichtfüßige Skrupellosigkeit geben dem Film einen trügerischen Schwung. Film und Figur scheinen ineinander zu verschmelzen. Doch Murnbergers Film ist nicht nicht distanzlos. Er überlässt es dem Zuschauer, zu entscheiden, wer Trenker war: ein gerissener Hund, ein korrumpierbarer Künstler oder ein begnadeter Geschichtenerzähler und Märchenonkel.

STAATSDIENDER von Marie Wilke und PROJEKT A von Moritz Springer und Marcel Seehuber

STAATSDIENER und PROJEKT A: zwei Filme auf dem Münchner Filmfest, die man eigentlich im Doppelpack zeigen müsste. In Staatsdiener beobachtet Maria Wilke die Ausbildung von Polizisten. Projekt A stellt dagegen verschiedene Strategien vor, wie die Idee des Anarchismus den Staat überflüssig zu machen, gelebt werden kann. Ein Vergleich von Thema und Herangehensweise dieser beiden Filme wäre der ideale Unterrichtsstoff für Filmstudenten.

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In STAATSDIENER beobachtet Maria Wilke, die bei Harun Farocki und Heinz Emigholz studiert hat, ohne Off-Kommentar und Musik eine Handvoll Polizisten Azubis bei ihren Lehreinheiten an der Fachhochschule Polizei Sachsen-Anhalt und in ihrem Praktikum. Es ist kein eingängiges Bild. STAATSDIENER zeigt auch die Zweifel und Unsicherheit der Menschen, die sich für den Beruf des Polizisten entschieden haben und nun mit dem Alltag konfrontiert werden. So machen viele Aufnahmen während des Praktikums deutlich, wie Polizisten verstärkt in die undankbare Rolle von Sozialarbeitern rutschen. Gesellschaftliche Ausgrenzung und Alkohol führen immer wieder zu Konfliktsituationen, die die Polizisten nicht lösen sondern nur noch verwalten können.

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Projekt A unterlegt seinen Film von Beginn an mit Musik und Off-Kommentar. In Abwechslung mit Interviewszenen wird versucht, an Schaubildern und Archivmaterial die Idee des Anarchismus zu veranschaulichen. Es gibt durchaus interessante Szenen, die einen Einblick in die Gedankenwelt von Aktivisten erlauben. Auch die Beobachtungen zur Anarchisten-Szene in Griechenland könnten aktueller nicht sein. Leider fehlt es aber PROJEKT A an Distanz zum Thema und zu den Interviewpartnern. Moritz Springer und Marcel Seehuber machen sich zu sehr mit dem behandelten Thema gemein. PROJEKT A erinnert ein wenig an einen FWU Unterrichtsfilm, der von linken Lehrern gedreht wurde. Diese Lehrer würden wahrscheinlich wiederum Staatsdiener als zu einseitig kritisieren. Doch STAATSDIENER verzichtet einfach auf den aufklärerischen Gestus, beobachtet und vertraut auf die Mündigkeit der Zuschauer.