Online Version des DOK.fest München 2020 ein Erfolg

Das DOK.fest München hat etwas gewagt und viel damit gewonnen. Das Team um Festivalleiter Daniel Sponsel hat (fast) sein komplettes Programm über das Internet abgespielt. Es ist eines der wenigen (wenn nicht das einzige) Festival, das auf die Corona Situation mit der konsequenten Durchführung eines Online Festivals geantwortet hat. Über 70.000 Abrufe hat es gegeben. Das sind mehr Abrufe als Kino-Zuschauer*innen beim DOK.fest 2019. Nicht einberechnet ist hier, dass bei einem sicherlich nicht unbeträchtlichen Teil der Abrufe mehr als eine Zuschauerin geschaut hat.

Der Verkauf der Online-Tickets und die Wiedergabe der Streams haben sehr gut funktioniert. Zusätzlich hat das Moderator*innen-Team eine Vielzahl von Filmen durch Online Q&A begleitet. Sicherlich waren bei der Online-Version des Publikumsgesprächs weniger Zuschauer*innen als im Kinosaal. Aber es kamen auch Situationen zu Stande, die es so nicht gegeben hätte.

Besonders in Erinnerung geblieben ist mir die Q&A zum sehr sehenswerten Film über die Kultgruppe THE BAND. Bei der abendlichen Online-Schalte saß der junge Regisseur Daniel Roher am Vormittag noch etwas zerzaust in Kanada vor seiner Kamera. Am Ende holte er dann noch seinen Vater vor die Kamera, der gerade mit den Hunden spazieren gehen wollte. Dieser erzählte, wie er und seine Frau seinen Sohn unterstützt hätten, nachdem klar war, dass der Sohn die Universität abbrechen würde und statt dessen Filmemacher wird. Die Leichtigkeit, mit der dieser Austausch von statten ging, gab einen sehr authentischen Einblick, in eine der Vorgeschichten des Films. Es war eine Leichtigkeit, die es bei einem realen Q&A so nicht gegeben hätte.


Filmstill from the documentary The Euphoria of Being. The young dancer Emese Cuhorka is carrying the over 90 years old Eva Fahidi in her arms.
Filmstill aus THE EUPHORIA OF BEING

Sehr anrührend war auch die Online-Vergabe des Publikumspreis des DOK.fest. Der Preis ging an der Eröffnungsfilm THE EUPHORIA OF BEING. Der Dokumentarfilm erzählt von der einzigartigen Zusammenarbeit zwischen der Choreographin Réka Szabó, der Tänzerin Emese Cuhorka und Éva Fahidi. Éva Fahidi was als junge Frau zusammen mit ihrer Familie nach Auschwitz deportiert worden. Als einziges Familienmitglied hat sie überlebt. Der Film zeigt, wie Fahidi zusammen mit Szabó und Cuhorka eine Tanzperformance über ihr Leben einübt. Bei der Online Preisverleihung erzählt die zugeschaltete Éva Fahidi, wie wichtig es ihr war, dass der Film in Deutschland gezeigt wird und dass es etwas Besonderes ist, dass er gerade hier den Publikumspreis bekommen hat.

Das DOK.fest München ist durch den Zwang der äußeren Umstände zum Online-Festival mutiert. Aber auch jenseits dieses Zusammenhangs wird es der Neu-Orientierung von Filmfestivals einen notwendigen Schub geben. Schon vorher wurde viel darüber diskutiert, was die zunehmende Popularität der Video-Streaming nicht für das Kino allgemein, sondern auch für Filmfestivals im Besonderen bedeutet. Meistens ging es hier aber darum, ob ein Film der nur als Stream und nicht (oder kaum) in Kinos gezeigt wird, auch auf einem Film-Festival laufen darf. Zukünftig wird es nun vielleicht mehr darum gehen, ob ein Film auf einem Festival gestreamt werden darf.

Filmfestivals werden sich in den nächsten Jahren stärker verändern als zuvor. Man kann nur hoffen, dass mehr Festivalmacher*innen mutig werden und ihre Zukunft selbst in die Hand nehmen. Es geht darum, pro-aktiv einen Weg zu gestalten, auf dem die digitale Vernetzung zwischen Filmanbietern und Zuschauer*innen zur Sicherung der Vielfalt des Kinos genutzt wird.

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