HONG KONG MOMENTS von Zhou Bing (DOK.fest München 2020)

Filmstill aus Hong Kong Moments - Es zeigt ein Straßenbild wo sich Demonstrant*innen und Polizist*innen gegenüber stehen

Der Dokumentarfilm bietet im Vergleich zum Spielfilm einen größeren Raum, um sich einer Situation aus verschiedenen Blickwinkeln zu nähern. Das ist besonders dann wertvoll, wenn es in der öffentlichen Diskussion zu einem Thema eine klare Lagerbildung gibt und ein differenziertes Spektrum droht verloren zu gehen.

Der Titel des Films ist klug gewählt. Regisseur Zhou Bing versucht in Momenten wiederzugeben, wie sieben Bürger*innen aus Hong Kong die derzeitige Situation erleben. Er bietet kein Gesamteinordnung, keine Erklärung und bewusst auch keine Stellungnahme. Seine Protagonist*innen repräsentieren verschiedene gesellschaftlichen Gruppierungen: ein Teil wurde nach der Übergabe von Hong Kong an China sozialisiert, der andere Teil kennt auch noch das davor. Einige arbeiten aktiv im politischen System von Hong Kong und stellen sich für die Wahl der Bezirksräte zur Wahl. Die Besitzerin eines Teehauses oder ein Taxifahrer sind dagegen damit beschäftigt, ihrer täglichen Arbeit nachzugehen. Ein junger Frontline Kämpfer der Protestbewegung kommt genauso zu Wort, wie ein Polizist, der wahrscheinlich in einem ähnlichen Alter ist.

HONG KONG MOMENTS stellt seine Figuren so da, wie sie sich selbst sehen. Zhou Bing nimmt keine wertende Perspektive ein, sondern verstärkt durch filmische Mittel eher noch das Selbstverständnis der Personen. Das wird besonders deutlich, wenn der Protestkämpfer in martialischer Kampfmontur, voll vermummt und mit verzerrter Stimme aus einer Drohnenperspektive über den Dächern von Hong Kong gezeigt wird. Es wirkt wie eine Selbstinszenierung. Letztlich bleibt es aber dem Zuschauer überlassen, ob er die Person als heroisch oder abgehoben beurteilt.

Der Film folgt dem Verlauf einiger weniger Tage. Acht Kamera-Teams haben die Protagonist*innen zum Teil zeitgleich gefilmt. Ein Team verfolgt eine Gruppe von Ersthelfer*innen mitten in die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und den Demonstrant*innen. Ihre Beobachtungen zusätzlich zu verwendeten Privataufnahmen zeigen nicht nur Gewalt von Polizist*innen sondern auch Gewalt gegen Polizist*innen. Insbesondere die üblen Schmähungen der Demonstrant*innen gegen die Polizist*innen bleiben im Gedächtnis. Es ist eine Seite, die in der medialen Berichterstattung so kaum zu sehen, hören oder lesen ist.

HONG KONG MOMENTS reicht nicht aus, um die aktuellen soziopolitischen Konflikte in Hong Kong zu verstehen. Aber der Film ist ein wichtiger Puzzlestein, den man für die weitere Annäherung sehr gut nutzen kann.

Kommentiere den Film oder den Eintrag

Titel

Orignaltitel

Hong Kong Moments

Credits

Regisseur

Zhou Bing

Land

Flagge DeutschlandDeutschland

Jahr

2020

Dauer

90 min.

Impressum