
Die Krise hat Spanien fest im Griff. Noch immer. Der Aufmacher der heutigen El Pais Sonntagsausgabe über Spaniens verlorene Generation der twenty-somethings: überqualifiziert, ohne Job oder mit Doppeldiplom als Bademeister im Schwimmbad. "Sienten que estan en el lugar y en el sitio equivocados." Sie fühlen sich, als ob sie sich am falschen Ort befinden. Damit haben sie vieles gemeinsam mit John McGill aus Peter Mullans Neds.
John fühlt sich am falschen Ort, seit er in der Grundschule nicht in die A-Klasse sondern in die B-Klasse gesteckt wurde. Entrüstet rennt er zum Direktor. Seine Noten sind spitze, er ist ein Überflieger, es muss einfach ein Irrtum sein. Doch leider ist dem nicht so. Man misstraut ihm. Nicht ihm persönlich, aber den Verhältnissen aus denen er kommt. Sein Bruder ist ein Schläger und John muss erst beweisen, dass er anders ist.
Er schafft den Weg in die 3a, doch angekommen ist er noch lange nicht. Viel später, als Jugendlicher, sitzt John im Garten bei einem Klassenkameraden aus gutem Hause mit dessen Mutter bei Plätzchen und Saft. Was macht dein Vater? Was macht deine Mutter? Was willst Du mal werden? Fragen, die den Anfang vom Ende einer Freundschaft markieren. Der Mutter seines Schulfreunds missfällt Johns Working Class Hintergrund.
Am falschen Ort, auch zu Hause. Johns Vater ist jeden Abend betrunken und terrorisiert die Mutter. Johns Bruder ist schon lange ausgezogen und vandaliert mit Jugendbanden durch die Straßen Glasgows.

Am Wendepunkt zum Erwachsenwerden gibt es keinen Platz, kein Vorbild und keine Perspektive für John. Nicht trotz seiner Intelligenz, sondern gerade wegen ihr. Sie hilft ihm nicht die Klassenbarrieren nach oben zu durchbrechen, in seinem eigenen Milieu wird sie ihm zum Verhängnis. Als er sich einer Jugendbande anschließt, wird er zu deren unberechenbarsten und brutalsten Mitglied.
Aus dem schüchternen Jungen wird allmählich ein Sozialmonster, das seinen Vater mit einer Pfanne zu Klump haut. Dass wir dem Film und der Hauptfigur die Beiläufigkeit dieser Entwicklung abnehmen, ist die Stärke von Neds. Conor McCarron ist die ideale Verkörperung eines bulligen Jungen mit Babyface, der weder versteht wo er ist noch wohin er gehört, der dann von einem Moment auf den anderen ausrasten kann.

Zum Glück hat Mullan es vermieden, dass Neds ins aufdringlich sozialpädagogische abrutscht. Trotz des harten Themas hat der Film seine unterhaltsamen Passagen. Wenn Mullan die Feden zwischen den Jugendbanden mit Songs von T-Rex unterlegt, dann erinnert er sogar ein wenig an West Side Story, nur in einer Glasgower Hardcore Version.