Schnupfen im Kopf von Gamma Bak

Was brauche ich, um ich zu sein?

Bin ich ich? Was brauche ich, um ich zu sein - Medikamente? Helfen mit die Medikamente dabei, ich zu sein oder verhindern sie es? Solche Fragen stellt man sich im Alltag eigentlich nicht. Natürlich bin ich ich. Wer sollte ich denn sonst sein? Seit bei der Regisseurin Gamma Bak vor 15 Jahren eine Psychose diagnostiziert wurde, muss sie sich mit diesen Fragen auseinandersetzen. Sieben Jahre nach der Diagnose entschloss sie sich mit einer filmischen Langzeitbeobachtung zu beginnen, in die sie auch Freunde und ihre Familie mit einzubeziehen. Schnupfen im Kopf ist das Ergebnis dieser achtjährigen Beobachtung. Der Film ist erreicht etwas Wertvolles: Er gibt einen sehr persönlichen Blick auf den Verlauf einer Krankheit, über die die Wenigsten sprechen wollen und ist dabei offen, ohne die Distanz zu verlieren oder sich dem Zuschauer aufzudrängen.

Psychose ist eine Sammelbegriff für psychische Erkrankungen, die den Bezug des Erkrankten zu seiner Umwelt stören. Symptome sind unter anderem Halluzinationen, Ichstörungen, Angstzustände, Depressionen und Manie. Die Krankheit verläuft in Schüben. „Krisen“ nennt das Gamma Bak in ihrem Film. Bei ihrer ersten großen Krise beginnt sie zum Beispiel Papier in den Ecken ihres Zimmers aufzustapeln. Das mag nicht dramatisch klingen, aber für sie verdrängte das Stapeln den Wunsch zu essen und die Fähigkeit zu schlafen. Außerdem litt sie unter furchtbaren Angstzuständen.

Mit der Diagnose Psychose kamen die Psychopharmaka in das Leben von Gamma Bak, Halperol, Lithium, Medazepam – im Abspann nennt sie 14 Medikamente. Und mit den Medikamenten kommen die Nebenwirkungen. Nebenwirkung ist dabei nichts anderes als ein Euphemismus. Es sind unerwünschte Wirkungen: Gewichtszunahme, Sprachstörungen und andere Bewegungsstörungen, Einschränkung der Mimik, Müdigkeit, Erbrechen – die Liste ist endlos. Und die gewünschte Wirkung führt oft dazu, dass der Patient eigentlich gar keine Emotionen mehr spürt.

Gamma Bak berichtet nicht nur selbst über ihre Erfahrungen. Sie diskutiert mit ihren Freunden vor der Kamera oder Familienmitglieder oder Freunde verfassen Videobriefe. Der Vater, der Freund, die Freundinnen, der Cousin – sie sprechen über ihre Sorgen, fragen sich nach Gründen und Rätseln über ihre eigene Hilfslosigkeit.
So entsteht für den Zuschauer ein facettenreiches Bild. Je länger man zuschaut, umso mehr respektiert man den Weg, den Gamma Bak geht und versteht die Hindernisse, die auf diesem Weg zu bewältigen sind. Allein die ständige Selbstbeobachtung, um ein Frühwarnsystem gegen eine neue Krise zu entwickeln, ist ein kräftezehrender Prozess. So viel Selbsterkenntnis wird man sich als „Gesunder“ kaum zumuten.
Gamma Bak selbst verschweigt nicht, wie schwierig sie es zunächst fand, sich als psychisch krank zu „outen“. Denn die Krankheit sei auch eine Falle. Das Etikett „psychisch krank“ führe leicht dazu, dass jedes Verhalten nur noch als Krankheitssymptom interpretiert werde. „Ich kann nicht wie jeder andere einfach mal was Verrüktes machen“, sagt Gamma Bak. Mit dem Filmprojekt leistete sie der Krankheit Widerstand. Der Film sei immer für ein Publikum gedacht gewesen, sagte sie nach der Premiere. „Wenn ich jetzt nicht hier stehen würde, um den Film zu zeigen und über ihn zu sprechen, dann wäre ich gescheitert.“ Das ist Gamma Bak mit Sicherheit nicht, vor allem weil der Film das Korsett der Krankheit aufbricht. Der Film handelt vom Leben einer Filmemacherin, von ihrer Geschichte als Kind von Flüchtlingen, von ihren ersten Schritten als Künstlerin von ihren Hoffnungen und Ängsten und auch von Krankheit. Schnupfen im Kopf ist ein persönlicher Sieg und in filmischer Hinsicht herausragend.

Kommentare ( 9 )

Ich finde den Film hervorragend! Ich selbst begleite eine Tochter mit dieser Krankheit und finde der Film beschönigt nicht ,zeigt eine sehr wahrhaftige Persönlichkeit,eine starke Frau.Die facettenreichen Kommentare verhindert,dass Interpretationen,die in die falsche Richtung gehen könnten sich gegenseitig korrigieren.

schlechter dokumentarfilm, einfach nur schlecht, gibt kein zugang für außenstehende in dieses krankheitsbild. vorallem wird überhaupt nicht klar wofür eine nacktszene in so einem Film benötigt wird, absolut deplatziert. (Um die gewichtszunahme deutlich zu machen..... somit völlig ungeeignetes mittel - andere methoden)

Fazit: schlecht auf ganzer linie

Ich bin selbst betroffen, denn ich hatte von 2001 bis 2006 insgesamt 4 Psychosen. Natürlich kann man in 93 Minuten nicht alles darstellen, da die Krankheit und ihre Folgen viel zu komplex sind. Aber der Film setzt Akzente und versucht zu zeigen, wie schwer es für die Betroffenen und deren Angehörigen ist, mit solch einem Ausnahmezustand umzugehen. Vielleicht ist es für Außenstehende tatsächlich nicht möglich, sich in die Betroffenen hineinzuversetzen, doch der Film trägt dazu bei, dass diese gemeine Krankheit ein Gesicht bekommt und eine Chance erhalten müsste, in der sogenannten gesunden Gesellschaft anerkannt zu werden. Ich will nicht in Selbstmitleid zerfließen, aber wer eine Psychose hinter sich hat und trotzdessen dem Leben etwas abgewinnen kann, der ist ein sehr starker Mensch. Und zu meinem Kommentator vor mir: Hättest Du durch die Medikamente zwanzig bis dreißig Kilo zugenommen, dann wüsstest Du um die dramaturgische Absicht der Nacktszene...

Es ist 23.20 Uhr. Bin eben nach Hause gekommen. Ich war heute Abend in Schmalkalden und habe den Film "Schnupfen im Kopf" gesehen. Bin auch ein Betroffner und finde den Film ganz stark. Vieles was mich betrifft. Ich kann den ganzen Film noch nicht verinnerlichen, dazu brauche ich noch Zeit. Unsere SHG hat sich den Film gekauft damit ihn alle sehen und disskutieren können.Gamma Bek ist eine starke Frau. Ich wünsche ihnen alles liebe und gute.

Sehr guter Film! Ich bin ebenfalls betroffen und finde mich in Vielem wieder. Ich finde es wirklich toll, dass nun endlich mal ein Film gedreht wurde, der sich so direkt mit dem Thema Psychosen beschäftigt. Ich werde ihn bestimmt nochmal sehen müssen.
Vielen Dank und alles Gute.

Es war sehr schwer für mich mitzukommen,mir ging es in sehr vielen dingen ganz genau so.
Ich hatte das gefühl Jemand spricht für mich

Ich habe den Film gestern im Rahmen der Tage der seelischen Gesundheit gesehen. Ich finde Gamma hat hohen Respekt verdient. Ich leide seit 23 jahren unter einer Psychose und kenne die Fragen die sich Gamma in ihrem Film stellt. Jedesmal wenn ich mal schlecht schlafe hinterfrage ich mich genauso wie Gamma. Ich wünsche ihr und mir daß wir genug Ichliebe entwickeln um es mit uns selber aufnehmen zu können. Ausserdem möchte ich sagen Gamma hat sehr liebe Freunde und Familie aber das weiß Sie bestimmt selber.
Gottes Segen sei mit Dir.
Christian

Wir sind ein Verein für Angehörige psychisch Kranker und haben den Film auf DVD zu Tagen der seelischen gesundheit gezeigt.
über den Film wurde anschießenddikutiert.
Von den Zuschauern, der Raum war voll besetzt, wurde der Film als sehr gut beurteilt,von Betroffenen, Angehörigen und Fachkräften.
Besucher die noch nie etwas von der Krankheit gehört haben, waren stark beindruckt.
Lediglich die deutsche Sprache als untertitel wirkte etwas störend, was ja mit dem Inhalt des Filmes nichts zu tun hat.

Hallo Siegfried seit meinen zusammenbruch fehlt es mir an Konzentration ich kann nicht mehr richtig schreiben,lesen u.s.w deshalb war es nicht wirklich möglich alles zu verstehen, mit zu lesen.ich wollte fragen ob es eine möglichkeit gibt den film noch mal in ruhe anzusehen?

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Titel

Orignaltitel

Schnupfen im Kopf

Englischer Titel

Head Cold

Credits

Regisseur

Gamma Bak

Land

Flagge DeutschlandDeutschland

Flagge UngarnUngarn

Jahr

2010

Dauer

93 min.

Impressum