Hof 2009: "Die Maßnahme" von Mike Bialk

Ein König kommt auf hohem Ross in Purpur gekleidet zu seinen Untertanen geritten. Es sind hart schuftende Bauern, die ihre Ernte einfahren. Im Kreise der von der Arbeit Gezeichneten glänzen die Gewänder des König in ihrer ganzen Pracht. Zufrieden lobt er die Bauern, das einfache Leben, die einfache Arbeit und sich selbst, denn ohne ihn könnten sie dieses edle Werk nicht vollrichten.
Wie wir alle wissen, ist in Deutschland die Leibeigenschaft längst abgeschafft. Eine ernst zunehmende Aristokratie gibt es auch nicht mehr. Trotzdem befinden wir uns in keinem Märchen.

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Der König ist zwar kein König, aber immerhin Leiter der Arbeitsagentur in Sachsen-Anhalt. Sein Name ist Rainer Bomba. Er ist auf Besuch in Gerbstedt und schaut, wie sich die Teilnehmer eines von ihm initiierten Experiments so machen. Das Experiment nennt sich "Bürgerarbeit". Langzeitarbeitslose bekommen einen Vertrag als Bürgerarbeiter und verrichten gemeinnützige Arbeit. Für die meisten ist das Entgelts genauso hoch wie bisher, heißt jetzt aber nicht mehr Hartz IV sondern Lohn. Alle Arbeitslosen des Dorfes Gerbstedt wurden zu dieser Maßnahme verpflichtet. Wer den Vertrag nicht annimmt, bekommt alle staatlichen Leistungen gestrichen. Auf diese Art und Weise will man die Arbeitslosigkeit in Gerbstedt von 24% dramatisch senken.

Rainer Bomba fährt in einem teuren Dienstwagen vor. Er geht in ein altes heruntergekommenes Gebäude von Gerbstedt, das "Bügerarbeiterinnen" wieder zu einer Bücherei machen sollen. Bomba ist braun gebrannt, hat ein tadellos gebügeltes weißes Hemd und trägt eine auffällig große Armbanduhr. Scherzend geht er zwischen den Frauen umher, die mühsam Schicht um Schicht die Tapeten von den Wänden abspachteln. Unvermittelt sagt Bomba völlig ernsthaft: "Das ist eine tolle Arbeit. Da bekomme ich richtig Lust, selbst mitzumachen". Es ist eine Stelle im Film, in dem das flaue Gefühl im Magen des Zuschauers in Übelkeit umschlägt.

Mike Bialks Film ist eine Demaskierung deutscher Arbeitsmarktpolitik. Dabei interessieren ihn weniger Zahlen und Statistiken, sondern die Menschen, die er ein Jahr lang begleitet hat und die ihm ans Herz gewachsen sind. Mit großem Vertrauen öffnen sie sich der Kamera und in einigen ergreifenden Momenten kristallisiert sich ein Stück deutscher Nachwendegeschichte.

Die Maßnahme der Bundesagentur für Arbeit hatte das Ziel, das Selbstwertgefühl von Langzeitarbeitslosen zu heben. Bialk gibt zu, dass dieses bei einigen tatsächlich der Fall gewesen ist. Trotzdem hat man den Eindruck, dass die Bürgerarbeiter von Gerbstedt betrogen werden. Wie ein schlechter Hollywoodfilm spiegelt die Maßnahme der Bundesagentur für Arbeit ihnen etwas vor, was immer weniger mit der Realität zu tun hat.

Nur einer der Teilnehmer von Gerbstedt hat inzwischen eine Arbeit auf dem ersten Arbeitsmarkt gefunden. Für Rainer Bomba hat sich die Maßnahme dagegen bereits ausgezahlt. Er ist inzwischen Chef der Bundesanstalt für Arbeit in Bayern. Auch hier hat er in einigen Problembezirken sein Projekt Bürgerarbeit gestartet. Einer dieser Problembezirke in Bayern ist die Stadt Hof.

Kommentare ( 4 )

En toller Film aber warum kann man ihn nirgends Online schauen .danke

Genau wo kann man sich den Film anschauen ?????

Ich werde mich mal erkundigen und an dieser Stelle weiteres berichten.

Von den Patienten im Film geht heute noch keiner arbeiten. Und der Verbrecher Bomba ist noch immer frei. Gruß aus Gerbstedt

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