"Regarde-Moi" von Audrey Estrougo

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Innen und außen

Endlich wahrgenommen werden, eine Chance bekommen, irgendetwas, das besser ist als das hier und jetzt, davon träumen alle Protagonisten im Film von Audrey Estrougo „Regarde-Moi“. Geschildert wird der durch Aggression und Frustration geprägte Alltag einer Gruppe von Jugendlichen in den Pariser Banlieus: Joe hat es geschafft. Er hat einen Vertrag als Spieler bei Arsenal London bekommen und wird am nächsten Tag die triste Hochhaussiedlung für immer verlassen. Focussiert auf diesen Abschied brechen die mühsam verdrängten Konflikte in der Gruppe allmälich auf und Rivalitäten, Neid und Hassgefühle treten offen zu Tage.

"Regarde-Moi" bietet einen genau beobacheten Einblick in die Mechanismen jugendlicher Gruppendynamik. Auch innerhalb der eigenen Gruppe findet nur derjenige Schutz und Anerkennung, der die dort herrschenden Regeln einhält. Sobald es jemand wagt, das kleinste Anzeichen von abweichendem Verhalten zu zeigen, wird er sofort von seinen "Freunden" bestraft. Dabei ist die Aggression und Kontrolle innerhalb der Mädchenclique noch weitaus größer als innerhalb der Männerclique, denn die Mädchen haben nicht nur unter der allgegenwärtigen Perspektivenlosigkeit zu leiden sondern auch unter den ständigen Kontrollversuchen ihrer männlichen Familienangehörigen. Dieser schier unerträgliche Druck mündet schließlich in einer drastischen Gewalttat.

Als besonderen Kunstgriff nutzt die Regisseurin, die selber einen Teil ihres Lebens in einer Cité der Pariser Vorstadt verbracht hat, einen Wechsel in der Erzählperspektive: Während die erste Hälfte des Films aus der Sicht der heranwachsenden jungen Männer geschildert wird, wechselt die Perspektive in der zweiten Hälfte zur Sicht der Frauen. Erzählt wird nochmals der exakt gleiche Tag, dessen Geschehnisse nun jedoch eine vollkommen andere Bedeutung bekommen. Der Perspektivenwechsel spiegelt sich auch in den unterschiedlichen Orten wieder, in denen die Handlung jeweils angesiedelt ist. Während die ersten Hälfte vorwiegend in dem den Männern gehörenden Außenraum spielt, verlagert sich die Handlung in der zweiten Hälfte in den Innenraum, in die Wohnungen und die Familien. Erst durch diese zweite Hälfte des Films erschliesst sich dem Zuschauer die tiefere Dimenson des Erzählten und erst sie lässt die Frauen vom Objekt zum Subjekt werden. Ein beeindruckender Film, der abseits üblicher Gangsterrapper-Ghetto-Klischees einen Einblick in das Leben in den Banlieus ermöglicht.

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Titel

Orignaltitel

Regarde-moi

Englischer Titel

Ain

Credits

Regisseur

Audrey Estrougo

Schauspieler

Paco Boublard

Terry Nimajimbe

Emilie de Preissac

Salomé Stévenin

Land

Flagge FrankreichFrankreich

Jahr

2007

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