Max Ophüls Festival: „Eisenfresser“ von Shaheen Dill-Riaz

Eisenfresser%20-%20Copyright%20Lemme%20Film_Zahidul%20Karim%20Selim.JPG

Sofort hatte ich wieder die Fotos von Sebastiao Salgado vor Augen. Der berühmte Fotograf hat vor einigen Jahren einen Bildband über die Arbeiter dieser Welt gemacht: Grandiose Schwarz-Weiß Aufnahmen, unfassbar schöne und dabei erschreckende Bilder, die zeigen: Für viele Millionen Menschen findet die Ausbeutung in Minen, Werften und Fabriken noch immer statt, Kinder und Erwachsene ruinieren oft für weniger als 1 Euro am Tag, ohne jeden Vertrag oder Schutz ihre Gesundheit, riskieren ihr Leben. Sie schuften, bis sie eines Tage umfallen und Oben sitzen die sprichwörtlichen "fat cats" und kassieren Millionen. Nicht selten werden die so gewonnenen Produkte oder Rohstoffe dann zu uns, in die so genannte 1. Welt verkauft, oder wir w werden eben am Strand von Chittagong unseren Schrott los. Und der Westen ist so stolz, solch katastrophale Arbeitsbedingungen mit dem Beginn des letzten Jahrhunderts allmählich hinter uns gelassen zu haben.....

In Bangladesh, am einstmals schönen Strand von Chittagong ist in den 60er Jahren nach einem Sturm ein riesiges Schiff gestrandet. Die Einheimischen wussten nicht, was tun mit dem Koloss und begannen ihn über Jahre zu zerlegen und den Stahl zu verkaufen. Und so entstand am Strand allmählich die weltgrößte Schiffsverschrottung für Ozeanriesen. Aus Fischern wurden Unternehmer. Heute leben direkt und indirekt etwa drei Millionen Menschen in Bangladesh von der Verschrottung. Leben? Naja, einige „fat cats“ schon. Für die allermeisten der Arbeiter ist es aber wohl nur so etwas „wie“ Leben. Denn wie es schon immer war, so ist es auch in Chittagong: Die Ärmsten der Armen erledigen die härteste und gefährlichste Arbeiten. Es sind vor allem Wanderarbeiter aus dem Norden des Landes. Sie tragen armdicke Stahlseile durch den Schlamm an den Strand, sie schultern tonnenschwere Eisenplatten und schleppen sie zu den Lkws, ihnen reißt es die Arme ab, wenn ein Seil reißt, sie werden von Stahl erschlagen, wenn eine Bordwand kippt. Die Schweißer stehen in der Hierachie weiter oben, kommen aus dem Süden, aber ihre Arbeit in den Schiffsrümpfen ist auch lebensgefährlich - immer wieder Unfälle, Explosionen. Und natürlich hat keiner dieser Männer Schutzkleidung, Brille oder Atemschutz. Die meisten Arbeiter an der Werft haben nicht mal Schuhe. Und so drängt sich bei den Bildern das Bild von der Ameisen Armee auf: vielen hundert Menschen klettern auf Stahlgiganten wie Ameisen auf einem Wild herum, hämmern, und schweißen und zerren an Seilen, tragen mit rhythmischen Gesängen Einzelteile durch den Schlamm davon, reißen hochhaushohe Stahlwände um und klettern hinauf, um sie weiter zu zerlegen. Das ist die Welt von Chittagong.

Das und die üblichen Betrügereien solcher Arbeitswelten. Die Leute werden von den Resifeldern im Norden angeheuert, wo sie ihre Familie aufgrund von Dürren und Überschwemmungen nicht mehr ernähren können. Sie wohnen dann zu Tausenden auf engstem Raum in Wellblechhütten am Strand, und weil sie ihren Lohn erst am Ende bekommen, verschulden sie sich bei den örtlichen Händlern, die natürlich alle mit den Chefs der Werften unter einer Decke stecken. Ein funktionierendes System Und ein wunderbares Beispiel, dass einen zum Marxisten werden lassen kann, wenn man sieht wie die so genannten „Contractors“, Dorfbewohner, die nichts tun, nicht arbeiten, aber die Löhne von der Werft bekommen und an die Arbeiter verteilen, in einem leeren Büro an einem ramponierten Schreibtisch sitzen, einer knipst sich die Fußnägel, ein anderer liest uninteressiert in der Zeitung, während ein paar Arbeiter barfüssig vor ihnen stehen und um ihren Lohn betteln müssen, den sie in den letzten Monaten unter übelsten Bedingungen verdient haben. Sie werden ihn nicht bekommen. Und so kehrt einer dieser Männer, den der Film genauer beobachtet, nach Monaten der Plackerei mit nicht viel mehr als einem Plastikbeutel voll Bananen nach Haus in den Norden zurück.

Ein engagierter Film, dem es gelingt das System von Abhängigkeiten, Korruption und alltäglicher Ausbeutung zu zeigen, indem er die Leute sprechen und handeln lässt. Und das ist vielleicht einer der überraschendsten Aspekte: die „Kapitalisten“ in diesem System haben keine Scheu über die Gründe der aus ihrer sicht notwendigen Ausbeutung zu sprechen, sehen kein Problem im Umgang mit ihren Arbeitern, die sie am Ende noch um ihren Lohn prellen. Sie sehen Ausbeutung und Abhänigkeit überhaupt nicht als Problem, sondern nennen es, wie man es in Deutschland auch gern mal von der FDP und den Apologeten des selbstregulierenden Marktes hört, als „die Welt, wie sie nun mal ist.“
Diese traurige Welt wie sie ist, zeigt „Eisenfresser“ auf beeindruckende Art.

Kommentiere den Film oder den Eintrag

Impressum