Britspotting 2006
"Leaving Home / Coming Home" von Gerald Fox

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Robert Frank Doku enttäuscht leider ein wenig

Der Film "Leaving Home /Coming Home" darf auf Geheiß von Mr. Frank weltweit nur drei Mal im Jahr gezeigt werden. Auf diese Weise will Robert Frank, der heute 81 Jahre alt ist, zum einen seine Kunst schützen (der Film enthält viele Fotos und Filmsequenzen aus seinem Werk der letzten 50 Jahre), aber zum anderen versucht er offenbar auch, den Mythos um seine Person aufrecht zu erhalten. In der Dokumentation hat er nämlich nach Aussage alter Freunde mehr über sich und seine Kunst gesprochen, als mit ihnen während ihrer ganzen Freundschaft.

Obwohl ich also mit etwa 60 anderen Kinobesuchern zu den erlesenen Wenigen gehörte, die ihn in Berlin sehen konnten, war ich etwas enttäuscht. Das lag vor allem an der fehlenden Dramaturgie des Films...

Das Beste waren die kleinen Einblicke, die Frank in die Enstehung seiner weltberühmten Fotos gewährt. Wenn er erzählt, dass er sich beim Fotografieren dem Schicksal anvertraut: Das heisst, wenn er mit der Kamera unterwegs ist, wartet er einfach den Moment, wo etwas passiert - irgendetwas. Er sucht seine Motive nicht. Manchmal sieht er es selbst erst später, wenn er die Bilder entwickelt hat: Die Einsamkeit der Menschen an einem Strand, die Verlorenheit einer Figur in der Menge, ein selbstvergessenes Mädchen am Strassenrand, das ein Eis isst, während Frank im Bus an ihr vorbeifährt. Wunderbare Fotos, aber aus Zufall und mit dem Blick für den Moment entstanden.

«Wer ein bisschen Verstand und Gefühl hat, wird mit Wahrscheinlichkeit einen guten Fotografen abgeben», meint er. Das werden all die Technikfanatiker, Zoomobjektivfetischisten, die Digitalmanipulatoren und Konzeptfotografen nicht gern hören.

Gute Fotos sind eben viel mehr als saubere Lichtverhältnisse und Schärfe, das weiss man. Aber dass viele der berühmtesten Fotos nicht anders entstanden sind, als ein Schnappschuss von Onkel Willi am Strand der Costa Brava, das wird den einen oder anderen Geniekunst Anhänger doch erschüttern.

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Wie gesagt, diese Einblicke waren das Spanndende. Ansonsten beschränkte sich der Film darauf, chronologisch die Geschichte Robert Franks von den späten 40er Jahren bis heute nachzuerzählen. Ein wenig erfahren wir über die Tragödien, die sein Schaffen beeinflusst haben, der Tod seiner Kinder und fast aller Weggefährten von Kerouac bis Ginsberg und fast sämtlicher Film- und Künstlerfreunde. Einzig seine Frau June ist heute noch an seiner Seite, eine faszinierende, starke und humorvolle Frau und Künstlerin.

Mir war diese Aneinanderkettung Frankscher Worte, Fotos mit sauciger Musik unterlegt und einiger Filmschnipseln zu wenig.
Man merkt Frank an, dass er nie viel über seine Kunst gesprochen hat und schon gar kein intelektuelles Konzept dahinter verbirgt. Seine Fotografie ist Emotion und Intuiton ("Die letzte Idee hatte ich in den 60er Jahren.", sagt er an einer Stelle), nicht mehr und nicht weniger. Seine ungelenken Ausführungen erzählen daher etwas über ihn selbst, aber dieses "Etwas", nämlich dass er ein Ausnahmekünstler ist, der keine Worte für seine Kunst hat, das begreift man nach 20 Minuten.
Der Spruch, dass das Werk immer mehr weiss, als der Künstler, der es geschaffen hat, auf Robert Frank trifft es zu. Seine Fotos erzählen mehr über den Menschen Robert Frank, als der Film und seine eigenen Worte.

Auch die sehr konventionelle Kameraführung trägt nicht zur Belebung bei - ab und an werden zwar die Interviewsequenzen in Schwarz/Weiss gefilmt, wahrscheinlich um Nähe zu den immer wieder eingestreuten Fotos und Filmschnipseln zu schaffen, aber das fand ich viel zu naheliegend, um es zu mögen.

Alles in Allem trotzdem ein interessanter Blick in den Enstehungsprozess eines Lebenswerks: Wie aus 100.000enden von Fotos in 50 Jahren vielleicht 200 Anspruch auf Ewigkeit anmelden. Die Städte, die Autos und die Blicke der Menschen habe sich verändert, seit Robert Frank 1948 begonnen hat zu fotografieren. Wir sehen auf seinen Bildern eine Welt, die unwiderbringlich verloren gegangen ist.

(Mehr Fotos von Robert Frank)


Leaving Home, Coming Home. A Portrait of Robert Frank (OF)
Land GB
Länge: 86 min.
Jahr: 2004
Regie: Gerald Fox
Autor: Gerald Fox
Kamera: Robert Hannah

Kommentare ( 1 )

irrwitzige idee...ein film darf nur 3 mal im jahr gezeigt werden...künstlich wird dem film wieder seltenheitswert gegeben und man versucht die auswucherungen seiner reproduzierbarkeit zu begrenzen. wahrscheinlich eher eine doku fürs fernsehen...würde mich trotz saucenhaftigkeit interessieren

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