1835, mitten in der unwirtlichen Wallachei. Der alternde Gendarm Constandin und sein halbwüchsiger Sohn Ionita sind auf der Suche nach einem entlaufenen „Zigeunersklaven“, der seinem Herrn, einem reichen Bojaren entlaufen ist. Hoch zu Pferde geht es über Stock und Stein, vorbei an ärmlichen Siedlungen und durch dichte Wälder. Die Gegend wird von Menschen unterschiedlicher Nationalität und Religionen bevölkert: Sie treffen auf Türken und Russen, Rumänen und Ungarn, Zigeuner, Christen, Moslems und Juden. Keiner hat über den anderen etwas Gutes zu sagen. Mit diversen Anspielungen auf klassische Westernfilme hat der rumänische Filmemacher Radu Jude mit AFERIM! einen atmosphärisch dichten Balkan-Western in schwarzweiss auf die Leinwand gebracht. Er stellt den spätfeudalen Balkan als ein Gemisch von Brutalität und Elend, von chauvinistischen und rassistischen Traditionen dar, die immer auch auf die Gegenwart verweisen.
Einer der Höhepunkte dieser absurden Gemengelage von Hass und Intoleranz ist die rassistische Tirade, die ein am Wegesrand mit seinem Karren liegen gebliebener Pope auf die Sündenvielfalt der Völker anstimmt: Die Russen trinken viel, die Italiener lügen viel, die Deutschen rauchen viel und so weiter und so fort. Obwohl Constandin die Popen hasst, stimmt er bereitwillig dieser Litanei der Verunglimpfung zu. Auch in anderer Hinsicht ist das Land erschreckend rückständig: Anscheinend leben hier Menschen tatsächlich noch in Sklaverei – meist sind das die so genannten Zigeuner, die auf Märkten verkauft, von ihren Besitzern misshandelt und von allen verachtet werden. Fühlt man sich einerseits in das tiefste Mittelalter versetzt, beschleicht einen zugleich der Verdacht, dass es diesen Minderheiten auch im heutigen Osteuropa nicht viel besser ergeht – wenn auch die formale Sklaverei abgeschafft ist.
Auf dem Weg begegnen Vater und Sohn immer wieder Zeichen von Gewalt: Eine von Hajduken ausgeraubte Kutsche im Wald, die Fahrgäste liegen erschlagen und nackt daneben. Will Ionita einem der Opfer helfen, das noch atmet, treibt Constandin den Jungen weiter. Sie haben damit nichts zu schaffen, anzuhalten bringt nur Ärger. Ist man anfangs noch schockiert von der menschenverachtenden Haltung des Vaters – und auch des Sohnes, der seinem Vorbild nacheifern will und kein anderes Konzept des Mannseins kennt – zeigt sich bald in kleinen Augenblicken, dass auch Constandin und Ionita kein Herz aus Stein haben, und durchaus versucht sind, hier und da ein bisschen Menschlichkeit walten zu lassen. Freilich wird ihnen das meist durch die Umstände unmöglich gemacht.
Schließlich finden sie den entlaufenen Mann, und einen kleinen Jungen, der seinem Herrn ebenfalls weggelaufen ist, gibt es noch als Dreingabe. Auf dem Rückweg entwickelt sich fast so etwas wie eine freundschaftliche Beziehung zwischen Jägern und Gefangenem. Der Gendarm will sich bei dem Bojaren dafür einsetzen, dass der Mann nicht allzu hart bestraft wird – hat ihn doch die Frau seines Herrn zu der „Unzucht“ verleitet, die ihm vorgeworfen wird. Kurz vor dem Ziel bindet Constandin den Mann, den er die ganz Zeit auf dem Pferderücken mitgetragen hat, mit einem Strick ans Pferd – es soll keiner auf die Idee kommen, dass der Sklaven es allzu bequem hatte. Der Schein muss gewahrt bleiben. Bei dem unglaublich brutalen Finale des Films bleibt Radu Jude dem Genre treu – ein Happy End wäre auch wirklich nicht glaubwürdig gewesen. AFERIM! ist ein starker Film, der gekonnt mit den Traditionen des Western spielt und ein Thema aufgreift, dass noch immer hochaktuell ist.