LITTLE BOY von James Benning

Der Regisseur des Films Little Boy James Benning
James Benning beantwortet Fragen nach der Berlinale-Premiere im Delphi Filmpalast.

„Der Film ist wirklich deprimierend“, sagt Regisseur James Benning mit entschuldigendem Lächeln nach der Berlinale-Premiere über seinen Dokumentarfilm LITTLE BOY. Ja, das kann man definitiv sagen. Der Film ist deprimierend. Er ist deprimierend, weil wir Ausschnitte aus sieben politischen Reden zwischen 1960 und 2016 hören. Reden über Frieden und Krieg, soziale Probleme und Umweltzerstörung – und haben wir das Gefühl, dass die Themen dieselben geblieben sind, ohne dass wir einer Lösung nähergekommen sind. Und zum Abschluss gibt es dann noch einige Worte von US-Präsident Harry S. Truman zum Abwurf der ersten Atombombe, also von „Little Boy“, auf Hiroshima im Jahr 1945. Fürwahr deprimierend.

Bennings gewohnte formale Strenge, wir sehen genau genommen nur eine Einstellung, die Kamera bewegt sich nicht und die Kamera zoomt auch nicht. Jeder der acht inhaltlichen Abschnitte des Films beginnt damit, dass wir ein Paar Hände sehen, die den Teil eines Gebäudemodels anmalen, wie sie für Häuser einer Modelleisenbahn verwendet werden. Dazu hören wir einen Song, jeweils von Anfang bis Ende. Es sind Songs, die Benning etwas bedeuten: von Ricky Nelson, Cat Power oder Martha & The Vandellas. Wenn der Song beendet ist, wird umgeschnitten und wir sehen das fertige Modell des Hauses. Auf der Tonspur hören wir jetzt einige Minuten einer Rede: US-Präsident Dwight D. Eisenhower über den militärisch-industriellen Komplex, den Black-Power-Aktivisten Stokely Carmichael (später Kwame Ture) über Rassismus und „black mercenaries“ oder von der australischen Ärztin Helen Caldicott über den Irrsinn von Atomwaffen. Nach ein paar Reden stellen wir fest, dass die gezeigten Gebäude die Logos von Rüstungsfirmen, Energiekonzernen oder Agrarkonzernen tragen.

Die über die gesamten 75 Minuten unveränderte Kameraeinstellung führt mal zu hoher Konzentration aber auch zum Abschweifen: Ich konnte den Reden besonders gut folgen, während mich die mit dem Anmalen beschäftigten Hände fast schon nervös gemacht haben. Und am Ende steht das Fazit: Die großen Weltprobleme haben wir in den vergangenen 50 Jahren nicht gelöst. Doch wie sagte James Benning so freundlich: Angesichts dieser ziemlich katastrophalen Erkenntnis, sei das Arbeiten an den Modellen sehr befriedigend gewesen.

Worum es geht

Eine Meditation über fehlenden gesellschaftlichen Fortschritt.

Für Fans von

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20 CIGARETTES von James Benning


Lieblingsmoment


Wenn die Ärmel des gelb-schwarz karierten Hemds von James Benning auf der Leinwand auftauchen und er selbst ein Modellteil anmalt.

Besonders gefallen hat mir...

Wie formale Strenge freies Denken ermöglicht.

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