Berlinale 2025: FRIENDSHIP'S DEATH von Peter Wollen

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© Courtesy of BFI Distribution

Für ihre Rede bei der Eröffnungsgala wurde Tilda Swinton schon zu Recht ausgiebig gefeiert. Diese Stil-Ikone, bei der alles perfekt sitzt; auch und besonders die Worte. Sie hat es geschafft, die Wertschätzung gegenüber der Berlinale auszudrücken, und trotzdem ihre klare Haltung zu Menschenrechtsfragen anzudeuten, mit dem Verweis auf Gaza. Und nun sollte einen Tag später noch ein ziemlich alter Film mit ihr laufen, von dem ich noch nie gehört hatte.

Kann man machen, dachte ich, wusste aber nicht dass meine Erwartungen weit übertroffen werden sollten: Denn kurz vor Filmbeginn brandet Applaus auf, Tricia Tuttle betritt die Bühne und kurz darauf kommt Tilda Swinton für ein kurzes Gespräch dazu, im Hintergrund der glamouröse Vorhang des altehrwürdigen Zoopalastes. „Genau hier ging alles los, vor 30 Jahren, mit Caravaggio“, sagt sie. „Ist es noch derselbe Vorhang?“ Na klar. Bei der Berlinale hat sich zwar viel geändert. Aber nicht so viel im Zoo-Palast. Gut so.

Dann spricht Swinton über den Film, Friendship’s Death – ihr zweiter Film überhaupt, ein Jahr nach Caravaggio, im Jahre 1987 in nur 12 Tagen in Amman gedreht. Jahre später war der Film verschollen erzählt sie, sie hatte schon befürchtet, dass er ganz verloren war. Dieser Film, der ihr sehr viel bedeutet. Doch er wurde gefunden und restauriert. „Gott sei Dank“, sagt Tilda. „Also Gott sei Dank für Euch, dass ihr den gucken könnt.“ Tilda preist den Film so überschwänglich an, dass es gar nicht zu dieser bescheidenen Frau zu passen scheint. „Fresh like a daisy“: Der Film sei aktuell wie nie.

Dass sie nicht übertreibt wird in den nächsten unglaublichen 80 Minuten deutlich. Denn in denen werden nicht nur zwei Themen verhandelt, die wohl noch kein Film zusammengebracht hat und die unsere Nachrichtenlage aktuell dominieren: Künstliche Intelligenz und der Nahostkonflikt! Die Story: „Friendship“ ist eine von Computern programmierte Künstliche Intelligenz in menschlicher Hülle, die als Friedensbotschafterin auf die Erde gesandt wurde. Auf ihrem Planeten, auf dem biologisches Leben schon ausgestorben ist, sorgt man sich nämlich um den Fortbestand des Planeten Erde. „Ihr seid dabei Euch selbst zu zerstören, das wird nicht mehr lange gut gehen“ – eine Botschaft die 1987 genauso verfängt wie heute.

Statt in den USA landet sie allerdings aufgrund eines technischen Fehlers ausgerechnet in Amman – wo grad der „Schwarze September“ tobt. Damals wurde die Präsenz von Arafat und der PLO für den jordanischen König zur Bedrohung, ihre Bekämpfung und Vertreibung war brutal. Hier begegnet Friendship dem britischen Kriegsreporter Sullivan; der beginnt an ihre Herkunft zu glauben, als Friendship glasweise Johnnie Walker in sich reinkippt, ohne jeden Effekt. Die Annäherung der beiden, humorvoll und philosophisch zugleich, irdisch und überirdisch, ist meisterhaft geschauspielert.

Und zudem zuckt man immer wieder ungläubig zusammen ob der hier verhandelten Themen. Wie visionär muss man sein, wenn man – so wie hier Peter Wollen – 1987 ein Drehbuch über eine künstliche Intelligenz schreibt, das im Jahr 2025 nicht aus der Zeit gefallen wirkt, sondern so als wäre es gestern geschrieben worden? Dazu die ständigen Anmerkungen zur Lage der Palästinenser, die ebenso aktuell sind (hier vielleicht weniger überraschend, denn im Nahostkonflikt hat sich seit 1987 – der ersten Intifada, des ersten Aufstands gegen die israelische Besatzung – bekanntlich wenig zum Positiven entwickelt).

Der Film transportiert einen differenzierten Blick auf den palästinensischen Freiheitskampf, bei dem, das wird deutlich nicht alle Mittel den Zweck heiligen; doch die grundsätzliche Solidarität mit ihrem Recht auf Freiheit wird sehr klar benannt. Dass Swinton, die an der Seite von 2000 Kulturschaffenden aus UK die israelische Kriegsführung in Gaza verurteilt hat, diesen Film ausgesucht hat, wird somit noch zu einer Fußnote zu ihrer Rede. „Ich habe Mitgefühl mit allen Opfern“, sagt Friendship im Film, obwohl Gefühle nicht wirklich Teil ihrer Programmierung sind. Einen Satz den man Tilda Swinton 30 Jahre später vollständig abnehmen würde.

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