So viel Spoiler sei erlaubt: wer erwartet, etwas vom Köln Konzert zu hören, wird enttäuscht sein. Kein einziger Tastenschlag des legendären Konzerts wird erklingen. Aber das ist ja auch das Prinzip des Films. Die Off-Stimme stellt es gleich zu Beginn klar und bemüht einen Vergleich mit Michelangelo: Die Deckenmalereien in der Sixtinischen Kapelle in Rom sind atemberaubend – aber ist es nicht ein Wahnsinn, dass überhaupt ein Gerüst gebaut wurde, um in dieser Höhe malen zu können? OK, verstanden! Doch ist das "Gerüst" des Köln Konzerts wirklich so spannend, dass es einen abendfüllenden Kinofilm tragen kann? Ja - denn das Gerüst heißt Vera Brandes.
Ich verstehe nicht viel von Jazz, aber selbst ich habe schon etwas von Vera Brandes gehört. Keith in allen Ehren, aber für das deutsche Musikbusiness ist auch sie eine Legende. Bereits mit 15 Jahren hat sie begonnen, für Jazzgrößen Konzerte zu organisieren. Der Film zeigt die erste Phase ihres Aufstiegs - von den ersten Schritten bis zu ihrem Meisterstück im Kölner Opernhaus im Januar 1975.
Wir erleben, wie Vera Brandes bei einem Konzert in einer Eisdiele den britischen Jazz-Saxophonist Ronnie Scott anspricht, mit ihrer jugendlichen Clique ein Business aufbaut und sich von ihrem autoritären Vater lossagt. Atemlos rennen wir mit ihr durch die Straßen, ins Funkhaus des WDR und ins Kölner Opernhaus. Vera und ihre Freunde sind dabei stets beflügelt von jugendlicher Euphorie – es müssen die Hormone sein, denn Red Bull gab es damals ja noch nicht.
Das Ganze ist unterhaltsam und versprüht den Charme der 70er-Jahre. Tatsächlich erinnert der Film mit seinem überdrehten Drive an Produktionen aus dieser Zeit. Nebenbei erfährt man ein wenig über Jazzgeschichte, die unglaublichen Hindernisse rund um das Köln Konzert und eine schwierige Phase in der künstlerischen Entwicklung von Keith Jarrett. Dazu geschenkt bekommen wir noch die wunderbare Darstellung von Veras Eltern durch Ulrich Tukur und Jördis Triebel, die wirkt, als wäre sie aus einem Familienalbum dieser Zeit entsprungen.
Und doch: Der Film surft zwei Stunden auf einer Welle, ohne sich viel Zeit für Tiefe zu nehmen. Das ist an sich völlig in Ordnung. Vielleicht ist es einfach nur ein Film für ein deutlich jüngeres Publikum als mich.