Berlinale 2025: A MELHOR MÃE DO MUNDO (THE BEST MOTHER IN THE WORLD) von Anna Muylaert

Filmstill

© Aline Arruda

Mit geschwollenem Auge und blutender Schramme sitzt Gal in einer Polizeistation in São Paolo. Sie will den Mann anzeigen, mit dem sie zusammenlebt. Im Gespräch mit der zuständigen Mitarbeiterin zuckt ihr Gesicht nervös, auch ihr Körper gibt sich ständig selbst „einen Ruck“. Man merkt: Sie hat allen Mut zusammengenommen, um diesen Schritt zu gehen. In ihren Augen spiegeln sich Härte und Entschlossenheit, aber auch Angst. Nur wenn sie von ihren beiden Kindern spricht, löst sich die Anspannung für einen Moment. Letztlich schreckt sie dann doch vor den Konsequenzen einer Anzeige zurück – und beschließt, einen anderen Weg zu wählen.

Die Flucht wird als Abenteuer verkauft

Geld verdient Gal mit dem Sammeln und Sortieren von recycelbarem Plastikmüll. Dafür zieht sie tagaus, tagein einen schweren Karren durch die verkehrsgeplagten Straßen der Stadt. Auf dem steilen, verschlungenen Weg zur Freiheit stehen Gal noch viele schwere, aber auch beschwingte Schritte bevor. Die brasilianische Regisseurin Anna Muylaert hat mit A MELHOR MÃE DO MUNDO (THE BEST MOTHER IN THE WORLD) diesen Weg ganz nah begleitet. Auf der Berlinale läuft der Film in der Sektion „Berlinale Special“.

Filmstill

© Aline Arruda

Heimlich, schnell und leise packt Gal ihre Tochter und den jüngeren Sohn auf ihren Karren und flieht aus der gemeinsamen Wohnung. Den Kindern verkauft sie den überstürzten Aufbruch als „großes Abenteuer“ – und tatsächlich ist es erst einmal einfach nur befreiend, aus der gewalttätigen Umklammerung ihres Partners zu entkommen. Der Road Trip führt das Trio zu verschiedenen Arbeits-Stationen Gals – denn nun muss sie erst recht Geld verdienen, um ihren Ausbruch zu finanzieren. Dabei tut Gal alles, um die Situation für ihre etwa 10-jährige Tochter und den noch jüngeren Sohn erträglich zu machen. Das Sortieren von Blechdosen verkauft Gal kindgerecht als Wettkampf-Spiel, ein Ausflug auf den Rummel bringt einfach nur Freude, und die notgedrungene Übernachtung im Park wird kurzerhand zum Zelt-Ausflug umetikettiert. Hilfe und Unterstützung bekommen die drei von unterschiedlichsten Bekannten, Freunden und Fremden.

Es ist kein einfaches Entkommen

Trotzdem ist es nicht leicht, zu entkommen. Denn Gals Partner sucht nach ihr, und ihre Cousine und deren Mann versuchen, die beiden wieder zusammen zu bringen. Ein bisschen Prügel sei doch ganz normal. Und in der Tat ist sich Gal selbst auch nicht immer sicher, ob sie das Richtige tut, indem sie ihr Leben ohne den Hauptverdiener in der Familie schultern will.

Filmstill

© Aline Arruda

Die Regisseurin Anna Muylaert blickt sehr realitätsnah auf den schwierigen Prozess der emotionalen und materiellen Abnabelung. Bis auf den Partner Gals, den der in Brasilien sehr beliebte Samba-Musiker Seu Jorge spielt, ist der Film fast ausnahmslos mit Laiendarstellern besetzt. Vor allem das Familien-Trio entwickelt dabei eine großartige Dynamik, der man 105 Minuten lang sehr gerne zuschaut. Mit der Konzentration auf die Mutter-Kinder-Beziehung hat Muylaert einen wunderbaren Ansatz gefunden, um diese leider allzu bekannte Geschichte neu zu erzählen.

Kommentiere den Film oder den Eintrag

Film-Emoji

🏃

Impressum