Im Mittelpunkt von HJEM KAERE HJEM steht die junge Sofie (Jette Søndergaard), die in einem kleinen dänischen Ort einen beruflichen Neuanfang wagt. Sie nimmt eine Stelle als Pflegekraft bei einem ambulanten Pflegedienst an. Schon in den ersten Szenen des Films wird deutlich, warum diese Arbeit als "Dienst am Menschen" bezeichnet wird. Kaum ein anderer Beruf erfordert eine derart enge, oft intime Verbindung zu anderen Menschen wie die häusliche Pflege, insbesondere bei schwerkranken, alten Patienten. Der Arbeitsalltag von Sofie ist geprägt von Zeitdruck, Bürokratie, schlechter Bezahlung und wenig gesellschaftlicher Anerkennung. Trotz der enormen physischen und psychischen Belastung bemüht sie sich von Anfang an, innerhalb ihres eng getakteten Dienstplans eine persönliche und liebevolle Beziehung zu den von ihr betreuten Senioren aufzubauen. Diese Hingabe macht Sofie schnell beliebt bei ihren Kunden und Kollegen, doch sie zahlt dafür einen hohen persönlichen Preis
Über das Privatleben von Sofie erfahren wir nicht viel, Petersen zeigt seine Hauptfigur vor allem in ihrem beruflichen Umfeld. Sie ist geschieden, hat eine zehnjährige Tochter, teilt sich mit ihrem Ex-Mann die Erziehungsaufgaben und arbeitet in ihrer Freizeit sehr engagiert als Turntrainerin. Schon nach kurzer Zeit im neuen Job als Pflegekraft wird es für Sofie immer schwieriger, Beruf und Privatheit auseinander zu halten. Durch ihre empathische Art nimmt sie die Belastungen aus der täglichen Arbeit mit den alten Menschen mit nach Hause. Als es dann zu einem unverschuldeten Konflikt mit einer Angehörigen kommt, bricht Sofie fast zusammen.
Dass ein Film über den harten Alltag einer mobilen Seniorenpflegerin nicht in die Kategorie "Gute-Laune-Movie" fällt, war zu erwarten. Doch anders als vermutet, ist HJEM KAERE HJEM kein restlos deprimierendes Lehrstück über die Misstände in der ambulanten Altenpflege. Frelle Petersen lässt all das nicht aus, was wir dazu aus den Medien kennen. Er thematisiert die nach Minuten durchgetaktete, körperlich und psychisch anstrengende Arbeit der Pflegedienstmitarbeiter, die kaum Zeit für den Aufbau menschlicher Beziehungen lässt, die Einsamkeit der alten Menschen in ihren vier Wänden, die Überforderung der Pflegekräfte, die bedrückende Erfahrung, bei wirklich allen Verrichtungen des Alltags auf fremde Hilfe angewiesen zu sein. Aber er erzählt in seinem Film auch mit beeindruckender Einfühlsamkeit und stiller Intensität von den kleinen Momenten der Nähe und der Würde, die selbst in scheinbar würdelosen Situationen bewahrt werden kann.Trotz aller Tristesse gibt es berührende, ja sogar schöne Augenblicke, die in ihrer Ehrlichkeit nachwirken.
Die Rollen der von Sofie betreuten alten Menschen hat Petersen größtenteils mit Laiendarstellern besetzt, eine Entscheidung, die die ultrarealistische Anmutung des Dargestellten weiter befördert. Sein Film ist nicht nur eine eindringliche Momentaufnahme der Missstände eines gerne ausgeblendeten Themas, sondern ein Appell an uns alle, auch dann nicht wegzusehen, wenn es weh tut.
Es war der erklärte Anspruch des Regisseurs, einen Berufszweig ins Zentrum seines Films zu stellen, der in der Öffentlichkeit viel zu wenig Beachtung erfährt. Wie der dänischen Presse zu entnehmen war, hat Petersen im Vorfeld seines Projekts selbst einige Monate bei einem häuslichen Pflegedienst gearbeit, um möglichst authentische Einblicke in die Arbeit in der ambulanten Seniorenbetreuung zu erhalten. Das alles tut seinem Film unendlich gut und zusammen mit der herausragenden schauspielerischen Leistung seiner Hauptdarstellerin Jette Sondergaard wird HJEM KAERE HJEM zu einem intensiven Kinoerlebnis, das lange nachwirkt und dem ein möglichst großes Publikum zu wünschen ist.
Kommentare ( 1 )
Schöne Kritik zu einem anscheinend sehr wichtigen Film. Alle sind sich einig, dass solch aufreibende Jobs mehr Aufmerksamkeit verdienen. Bleibt zu hoffen, dass dieser Film sie dann auch bekommt.
Posted by andreas | 15.02.25 12:08